„’71“ (2014) Kritik – Allein zwischen den Fronten

Dorit Scharf 21. August 2015 0
„’71“ (2014) Kritik – Allein zwischen den Fronten

Nach einigen Fernsehserien (Dead Set, Top Boy) und Kurzfilmen liefert Regisseur Yann Demange mit ’71  sein Kinodebut. Im Thriller vor dem Hintergrund des Nordirland-Konfliktes, auch bekannt als „The Troubles“, verschwimmen die Grenzen zwischen Feind und Freund. Seit dem 18.08.2015 ist ’71 als DVD und Blu-Ray zu haben.

Von wegen Routine

Gary Hook (Jack O‘ Connell) wird als junger Soldat aus dem britischen Trainingslager nach Belfast geschickt. Die Stadt ist 1971 bereits ein Hotspot des Nordirland-Konfliktes. Hier sollen er und seine Kollegen die örtliche englische Polizei unterstützen, die gegen die IRA ermitteln.

Direkt an Garys ersten Tag gerät eine Hausdurchsuchung nach Waffen bei einer katholischen Familie, die eigentlich als Routine gedacht war, aus dem Ruder. Die Nachbarschaft der Durchsuchten mobilisiert sich, und greift als Mob die Soldaten an. Spätestens als Garys Kumpel Tommo erschossen wird, ist er mitten in der Wirklichkeit des Bürgerkriegs.

Eine Jagd auf Leben und Tod

’71 beginnt als Kriegsfilm, in dem Gut und Böse zunächst klar definiert scheinen. Im Drill des Trainingslagers wird Gary auf mögliche Gefahren vorbereitet, im Briefing vor dem Polizeieinsatz ist Belfast eindeutig in feindliche und freundliche Gebiete aufgeteilt. Die Illusion der Routine-Mission ist perfekt.

Doch während Garys Flucht verschwimmen die klaren Grenzen und aus dem tobenden Mob lösen sich Individuen. Ein katholischer Ex-Armysanitäter und seine Tochter retten Gary das Leben. Gleichzeitig folgt der Zuschauer den englischen V-Männern, die ihre eigenen Ordnungen aufgestellt haben und dem Konflikt auf ihre Weise begegnen. Das Chaos ist perfekt und wird noch dadurch unterstrichen, dass sich der Großteil der Flucht in der Nacht abspielt. Das macht es teilweise optisch schwer ist die Charaktere, und somit Freund und Feind, auseinander zu halten.

Spannung, aber wenig Reflektion

’71 bleibt die meiste Zeit ein Actionthriller vor der Kulisse Belfasts. Auch wenn natürlich auf die Zeit der „Troubles“ eingegangen wird, bleibt die Handlung eher allgemein und folgt dem Motiv des auf sich allein gestellten Soldaten. Die Verwicklungen, die sich gerade in der zweiten Filmhälfte offenbaren, sind allerdings eine positive Überraschung. Sie lassen erahnen, dass im Konflikt auf beiden Seiten Individuen stehen, die ihre Welt von der jeweils anderen Seite bedroht sehen. Doch im Vergleich zu anderen Filmen, die sich der Thematik des Nordirland-Konfliktes annehmen ( z. B. Five Minutes of Heaven oder Bloody Sunday) fehlt ’71 ein bisschen mehr Empathie zu seinen Charakteren und der Zeit um die einzelnen Motivationen hervorzuheben.

Wer den Film für Spannung und Action guckt, wird bestimmt zufrieden gestellt. Für eine reflektierte filmische Auseinandersetzung mit der Thematik der „Troubles“ eignet sich ’71 dann allerdings eher nicht.

’71 ist am 18.08.2015 auf DVD und Blu-Ray erschienen.

„’71“ (2014) Kritik – Allein zwischen den Fronten

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