„Avengers: Age of Ultron“ Kritik – Marvel did it again

Tommy 22. April 2015 9
„Avengers: Age of Ultron“ Kritik – Marvel did it again

Die ersten Eindrücke der neuesten Kreation aus dem Hause Marvel (oder eher aus der Disney-Familie?) dürften vielen Fans ein paar Tränen aus den Augen treiben. Bei allen anderen reicht es vielleicht wenigstens zu einer Gänsehaut. In einem winterlichen Wald bahnen sich die Avengers ihren Weg durch gesichtslose Feinde, während die Kamera ohne Schnitt der Reihe nach Thor (Chris Hemsworth), Captain America (Chris Evans) und Co. in Aktion zeigt, bis wir in einer monumentalen Einstellung die gesamte Rächer-Truppe in slow-motion bejubeln dürfen. Wer es angesichts der Bilder noch nicht begriffen hat, dem hilft die Musik. Das hier ist ein episches Bild, bei dem Joss Whedon sicherlich das passende Poster im Hinterkopf hatte.

I’m gonna show you something beautiful…

Gleich der Einstieg von „Avengers: Age of Ultron“ ist ein Statement. Whedon beweist, dass er als Regisseur noch dazu lernen konnte und es besser denn je versteht, die Fähigkeiten seiner Superhelden spielerisch zu kombinieren und das Resultat eindrucksvoll in Szene zu setzen. Schade, dass er beim „Infinity War“ nicht mehr mitmischt. Vielmehr ist es aber eine Ansage von Marvel. Alles für die Unterhaltung, von der ersten Sekunde an. Gekonnt wird imposant choreografierte Action geboten; ein gut durchprobter Zirkus, der seine Zuschauer anschaulich von einer Attraktion zur nächsten geleitet. Das ganz große Spektakel, ein Fest für die Augen, Marvel eben.

Kurz gesagt: „Avengers: Age of Ultron“ ist das Beste in Sachen Unterhaltung, das man derzeit im Kino genießen darf. Darüber hinaus profitiert die Fortsetzung von einem ähnlichen Effekt wie „Star Trek: Into Darkness“. Der erste Teil etabliert das Ensemble, der zweite kann mehr in die Tiefe gehen. Wobei es ja mehr als einen Vorläufer gibt, da die Marvel-Filme inzwischen den Charakter einer Serie mit exorbitantem Budget haben. Selbst bei den Solo-Auftritten durchleben die Figuren Abenteuer, die auf die Avengers-Filme Einfluss haben. Wer hier auf der Höhe bleiben will, sollte also alles gesehen haben, denn für ein „was bisher geschah“ bleibt keine Zeit.

Die nutzt der Film stattdessen klugerweise um Personen näher zu beleuchten, deren Anwesenheit man ansonsten hinterfragt hätte. Kam Hawkeye (Jeremy Renner) im ersten Teil zu kurz, muss sich nun Thor hinten anstellen, ein „Bäumchen wechsel dich“ der Screentime. Darüber hinaus wird die Beziehung zwischen den Figuren näher beleuchtet, beispielsweise wenn der Hulk (Mark Ruffalo) und Black Widow (Scarlett Johansson) „King Kong und die weiße Frau“ nachspielen oder Tony Stark (Robert Downey Jr.) und Steve Rodgers ihren Disput um Sicherheit und Freiheit beginnen, der in „Captain America: Civil War“ seine Fortsetzung finden wird.

I had strings, but now I’m free. There are no strings on me!

Bereits hier hat dieser Konflikt Auswirkungen, denn Starks Paranoia führt dazu, dass er Ultron (James Spader) zum Leben erweckt. Die künstliche Intelligenz sollte ursprünglich die Erde im Kampf gegen außerirdische Mächte absichern, dafür hat Stark sich wiederum mit außerirdischen Mächten eingelassen, die er nicht kontrollieren kann. Sein Experiment gerät außer Kontrolle, da Ultron die Avengers als Bedrohung wahrnimmt und ausradieren will.

Der Antagonist ist zweifellos die Sensation des Films. Keine typische K.I., die kalt und berechnend ist, sondern eher eine grausig pervertierte Version von Pinocchio, die sich an den Menschen orientiert und sie doch überwinden will. Ultron gleicht einem labilen, rachsüchtigen Kind, das unter einem Ödipus-Komplex leidet und den eigentlich ideellen Vatermord wörtlich nimmt. Sigmund Freud hätte sicherlich seinen Spaß mit diesem Geschöpf. Und die Zuschauer der Originalversion garantiert mit der grandiosen Stimme von James Spader.

You want to protect the world, but you don’t want it to change.

Also, die Action ist fesselnd, Charaktere werden weiterentwickelt, Beziehungen vertieft, der Bösewicht kann sich sehen lassen, der Humor erhält seinen gewohnten Freiraum und sogar aktuelle politische Probleme werden angerissen. Alles gut? Nein, selbstverständlich nicht ganz. „Avengers: Age of Ultron“ zeigt, was Marvel kann. Aber eben auch, was sie nicht können. Ein Team aus vielen Charakteren zu vereinen, beherrschen sie inzwischen im Schlaf, allerdings brauchen sie oft mehrere Filme, um ihnen Tiefe zu verleihen. Die Neulinge Quicksilver (Aaron Taylor-Johnson) und Scarlet Witch (Elizabeth Olsen) haben die übliche Geschichte mit zugehöriger, ausgelutschter Motivation erhalten und Vision (Paul Bettany) kann sich lediglich anteasern. Whedons Befürchtung, der Film sei überladen, hat sich bewahrheitet. Einmal mehr ist dieser Film aber vor allem der Beweis, dass bezüglich Charaktertiefe, Tragweite und Nachhall weiterhin DC die Hosen anhat. Marvel präsentiert gute Ansätze, mehr nicht.

Offensichtlich wird dies im Endkampf des Films, der Konsequenzen vermissen lässt und schrecklich versöhnlich daherkommt. Die große Bedrohung, die während der gesamten Laufzeit mühsam aufgebaut wird, verpufft zu einfach, wodurch sie letztlich enttäuscht. Selbst vielversprechende Ideen ereilt das gleiche Schicksal. Captain America droht vor eine schwierige Entscheidung gestellt zu werden, was gerade bei ihm zu einem interessanten Konflikt geführt hätte. Die moralische Instanz der Gruppe, der durch seine Ansichten wie ein Geistlicher mit Sixpack wirkt, muss einige Menschen opfern, um viele zu retten. Doch bevor es spannend werden kann, löst sich das Problem in Wohlgefallen auf. Gähn.

Marvel hat nicht zum ersten Mal mit solchen Problemen zu kämpfen, man denke nur an „The Return of the First Avenger“. Zugegeben, der Ton ist düsterer geworden, allerdings bei weitem nicht so bedrückend, wie es die Trailerkampagne erwarten ließ. Vor dem kolossalen „Infinity War“ wollte man scheinbar keine schwerwiegenden Opfer, damit im Zweiteiler die große Parade der Superhelden aufgefahren werden kann. Spätestens im Duell mit Thanos (Josh Brolin) muss Marvel seinen Stil dennoch den Gegebenheiten anpassen, um sich nicht lächerlich zu machen. Denn bei aller Liebe darf nicht vergessen werden: Auf ein Meisterwerk wie „The Dark Knight“, wartet man bisher vergeblich. Bislang war alles ein besserer Spaß für zwischendurch. Marvel eben.

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