„Die irre Heldentour des Billy Lynn“ (2016) Kritik: Niederlage auf den letzten Metern

Bernhard 18. Februar 2017 0
„Die irre Heldentour des Billy Lynn“ (2016) Kritik: Niederlage auf den letzten Metern

Dass die Halbzeit-Shows beim Superbowl dem Spiel selbst so manches Mal den Rang ablaufen können, ist ein offenes Geheimnis. Um ein Pausenspektakel beim Football dreht sich auch Ang Lees (Life of Pi) jüngste Arbeit „Die irre Heldentour des Billy Lynn“.

Irak 2004: Billy (Joe Alwyn) wird dabei gefilmt, wie er seinen verletzten Sergeant Breem (Vin Diesel) aus einer fast ausweglosen Situation zu retten versucht. Das Video wird in den USA schnell zum Hit, um den in der Bevölkerung unpopulären Krieg gegen Sadam Hussein zu legitimieren, auch wenn Breem bei dem Einsatz stirbt. Zurück in der Heimat, tourt Lynns Kompanie, ein Haufen ungehobelter, liebenswerter Jugendlicher unter dem Kommando von Sergeant David Dime (Garett Hedlund), als Heldentruppe durch das Land. Das Highlight soll der Auftritt des Soldaten in der Pause eines Footballspiels in Dallas werden. Während Billy und seine Gefährten von Presse, Spielern und Verantwortlichen umschwirrt werden, suchen den jungen Mann immer wieder Erinnerungen an den Krieg und die Rückkehr zu seiner Familie und Schwester Kathryn (Kristen Stewart), derentwegen er sich hat verpflichten lassen, heim.

Ang Lees Film bekommt durch den jüngsten Superbowl eine gewisse Aktualität. Thematisch dreht sich „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ um die Instrumentalisierung von Einzelpersonen für einen bestimmten Zweck, in diesem Fall die Rechtfertigung des Kriegs, ohne diese Personen als Individuen ernst zu nehmen. Die Truppe gibt in Interviews standartmäßige Antworten, wird beim Singen der Nationalhymne gefilmt und darf sich Footballs von den Spielern in den Umkleiden signieren lassen. Tatsächlich aber gehen die Verantwortlichen auf die Wünsche der Soldaten kaum ein, sondern ziehen und scheuchen sie wie Marionetten umher. Es geht ihnen, allen voran Clubboss Norm Oglesby (Steve Martin), nur darum, das Image der Dallas Cowboys durch den Auftritt der Kriegshelden aufzupolieren. Während die jugendlichen Soldaten den kurzen Rummel um sich genießen, wird Billy immer wieder in Erinnerungen an die Vergangenheit zurückgerissen. Diese werden optisch meist brillant eingeleitet, indem ein Teil des Stadions direkt oder indirekt einen Ort oder ein Ereignis im Irak heraufbeschwört. Der Eingang zum Spielfeld verwandelt sich vor Billys Augen in den Torbogen eines irakischen Marktes, Feuerwerke werden zu Bombeneinschlägen, genauso imaginiert Billy, wie sachlich korrekte Antworten seiner Freunde auf die Fragen der Journalisten aussähen.

Halbzeitspektakel um die Soldaten in "Die irre Heldentour des Billy Lynn" (2016) (c) TriStar Pictures Für wenige Sekunden stehen die Soldaten um Billy Lynn (Joe Alwyn) im Rampenlicht der Bühnenshow (c) TriStar Pictures

Der Kontrast zwischen dem Soldaten Billy Lynn, der zwar zuhause, mental aber noch im Krieg ist, und dem eindimensionalen Blick der Zuschauer und Offiziellen auf ihn und seine Freunde als Helden, die einen Auftritt in der Halbzeit haben und dann vergessen werden, sorgt für Beklemmung. Ang Lee gelingt es, gleichzeitig die seelenlose, ausbeutende Unterhaltungsindustrie zu kritisieren und den traumatisierten Soldaten, die in dieser unbarmherzigen Maschinerie verloren sind, ein Gesicht zu geben. Billy Lynn als ehrlicher, melancholischer Einzelgänger hat mit Sergeant Dime einen väterlichen Freund an der Seite. Zynische Kommentare abgebend durchschaut Dime als einziger das Spiel, welches mit seinen Jungs gespielt wird, ohne etwas daran ändern zu können. Die fehlende Wertschätzung, die man den Soldaten entgegenbringt, gipfelt in einem Handgemenge mit den latent aggressiven Sicherheitskräften des Stadions, hier zeigt sich, wie aufgesetzt das Verhalten aller beteiligten Akteure den Kriegsheimkehrern gegenüber ist.

Leider verliert sich der Film gegen Ende sehr in patriotischen Pathos und eine überhastete Romanze zwischen Billy und einem Cheerleader und büßt so ein entscheidendes Maß an Anspruch ein. Denn so viel Bedeutung der Regisseur dem Konflikt zwischen Individuen und Showbusiness beimisst, so viel entzieht er demselben schließlich, indem er den Fokus auf die ausgelutschte Hollywoodformel (Vaterlands)liebe legt. So versäumt Ang Lee es, einen großartigen Film zu machen und liefert lediglich einen etwas überdurchschnittlichen Beitrag zu der Palette an Veteranenfilmen. Das ist wirklich zu bedauern, auch weil der Regisseur an einigen Stellen andeutet, wie visuell innovativ, fast visionär er arbeiten kann.

Kinostart in Deutschland war der 02. Februar.

Video und Beitragsbild (c) TriStar Pictures

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„Die irre Heldentour des Billy Lynn“ (2016) Kritik: Niederlage auf den letzten Metern

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