Dokumentation: Seelenvögel (2009) Kritik zum Film

Florian Erbach 21. Juni 2014 0
Dokumentation: Seelenvögel (2009) Kritik zum Film

Was ist jetzt das Leben? Ist es alles ein großes Leben, Leben und Tod zusammen? Oder hört das Leben nach dem Tod auf? Fängt es wieder neu an? Oder was ist überhaupt Tod? sagt Pauline nachdenklich in die Kamera und sorgt mit der Ernsthaftigkeit und Gewissenhaftigkeit ihrer Äußerungen für einen der vielen Gänsehautmomente in der Dokumentation Seelenvögel. Pauline sagt das nicht aus einer Laune heraus oder aus einem Anflug von Philosophie und dem damit verbundenen Nachdenken über das Leben – in Seelenvögel gehören diese Gedanken zum Alltag. Neben der 15-jährigen Pauline beschäftigt sich auch der 10-jährige Richard und – wenngleich auf andere Art und Weise – der 6-jährige Lenni mit der Möglichkeit eines nahenden Todes. Alle drei, so unterschiedlich sie sind, vereint das gemeinsame Schicksal von schwerer Krankheit. Leukämie bestimmt ihren Alltag, ihre Zukunft und entscheidet letztlich über das Leben und den Tod.

Die Suche nach der Kraft und Energie des Lebens

seelenvögel pauline

Pauline

Thomas Riedelsheimer begleitet in Seelenvögel über drei Jahre diese jungen Menschen und zeigt mit seiner Dokumentation eindrucksvoll, wie Pauline, Richard und Lenni, aber auch deren Familien und das enge Umfeld, mit der Diagnose Leukämie und den Folgen umgehen. Jeder hat seine eigene Art, der Krankheit gegenüberzutreten. Die Diagnose und die Krankheit sind allgegenwärtig, doch das Leben geht weiter. Pauline möchte Schauspielerin werden und schreibt Gedichte, Richard spielt gerne Fußball und Schach und der kleine Lenni „füllt mit seinem Charme mühelos den ganzen Raum„. Das Herausragende bei Seelenvögel ist, dass trotz der Tragik, der unendlichen Traurigkeit und der Belastungen, die diesem Film innewohnen, ein Gefühl dafür geschaffen wird, dass bei aller Trauer und bei jedem Schicksalsschlag das Leben als solches trotzdem präsent ist. In den gut 90 Minuten nehmen wir Anteil an den Wünschen und Plänen, an Erfolgen, aber auch an den Rückschlägen und Zweifeln, die die Drei erfahren müssen, und werden so zu einem Teil ihres Lebens. Wir fühlen und leiden mit.

Eine Ausnahmedokumentation

richard seelenvögel

Richard

Seelenvögel ist eine beeindruckende Dokumentation, die sanft, nie aufdringlich und immer mit einem gewissen Abstand, Pauline, Richard und Lenni „zu Wort“ kommen lässt. Ihnen wird viel Platz eingeräumt, aber auch das schon erwähnte Umfeld wird mit einbezogen. Der langweilige Alltag, die Probleme mit und ohne Krankheit, das „ganz normale“ Leben mit Leukämie. Die Perspektive ist dabei stets authentisch und niemals kommt ein Gefühl von Voyeurismus auf. Seelenvögel ist eine Dokumentation über schwere Krankheit und den Tod, ja, aber gleichzeitig eine Dokumentation für das Leben, für die Auseinandersetzung damit. Thomas Riedelsheimer hat es geschafft, trotz der unfassbar traurigen Umstände, ein lebensbejahendes Gefühl zu vermitteln und aufzuzeigen, wie viel Lebensenergie die drei jungen Menschen trotz der Diagnose Leukämie haben.

Im Herzen dieses Films ist Stille, Frieden und eine große Schönheit. Ein Geschenk!

Lennie seelenvögel

Lenni

Als stiller Beobachter ist man zum Zuschauen verdammt, man möchte die Drei umarmen, wegen der Ungerechtigkeit dieser Krankheit schreien, ihnen Mut zu sprechen und ihnen gleichzeitig für ihren Mut und ihre Lebensfreude danken. Kaum vorstellbar, man würde selbst gezwungen sein, sich derart mit der Frage aller Fragen, dem Sinn der eigenen Existenz und auch der Frage, ob nach dem Tod noch etwas kommt, auseinandersetzen zu müssen. Thomas Riedelsheimer sagte über seinen Film selbst, dass er die Ereignisse nur aushalten konnte, weil er sich in die Rolle des Filmemachers zurückziehen konnte. Das eigene Kind gegen den Krebs kämpfen zu sehen, das Gefühl der Machtlosigkeit zu haben und die unmittelbare Auseinandersetzung mit dem Tod – all das wird in Seelenvögel greifbar.

Trailer zu Seelenvögel

Fazit zu Seelenvögel

Dieser Film lässt niemanden kalt. Seelenvögel bringt den Zuschauer an emotionale Grenzen und öffnet Schleusen. Man kann Seelenvögel nicht nebenbei schauen, sondern muss sich die Zeit dafür nehmen, denn diese Dokumentation wirkt lange nach. Und das nicht nur, weil Pauline, Richard und Lenni mit dem nahen Tod konfrontiert sind, sondern weil wir durch die Dokumentation Anteil an ihrem Leben haben dürfen und erkennen können, was für außergewöhnliche Menschen sie sind. Seelenvögel hält bewusst lange geheim, wer den Kampf gegen den Krebs gewinnt – und wer ihn leider verlieren wird. Es geht nicht um den Tod, sondern um das Leben.

Für mich ist Seelenvögel (2009) ein Ausnahmefilm, weil er ungemein berührt und es schafft, trotz der traurigen Momente, auch ein lebensbejahendes Gefühl zu vermitteln und die Energie und Kraft des Lebens aufzeigt. Großen Anteil daran haben Pauline, Richard und Lenni. Ein starker, aufwühlender und wunderschöner Film, den man unbedingt gesehen haben muss und für den ich sehr dankbar bin.

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Seelenvögel – Pauline


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