„Eine fantastische Frau“: Kritik des Dramas von Sebastián Lelio über eine trauernde Transsexuelle

Nadine Emmerich 3. September 2017 0
„Eine fantastische Frau“: Kritik des Dramas von Sebastián Lelio über eine trauernde Transsexuelle

Die Kellnerin und Sängerin Marina (Daniela Vega) und der 20 Jahre ältere Orlando sind ein Paar, er hat für seine transsexuelle Geliebte sogar seine Familie verlassen, ein neues gemeinsames Leben in Santiago de Chile steht an. Doch als die beiden nach Marinas Geburtstagsfeier nach Hause kommen, stirbt Orlando urplötzlich. Und für Marina beginnt eine Tortur, denn Behörden und Orlandos Familie begegnen ihr mit Wut und Misstrauen.

Mit „Gloria“ zeigte der 1974 in Argentinien geborene und in Chile aufgewachsene Regisseur Sebastián Lelio schon im Berlinale-Wettbewerb 2013 ein Porträt einer starken Frau, mit „Una Mujer Fantastica“ (Originaltitel) knüpft er nun auf sehr berührende Art und Weise an dieses Thema an. Bei den diesjährigen Filmfestspielen bekamen Lelio und Gonzola Maza dafür einen Silbernen Bären für das Drehbuch sowie den queeren Filmpreis Teddy Award.

Einen Bären verdient hätte auch Hauptdarstellerin Vega, die zuvor nur kleinere Rollen am Theater spielte: Sie stellt die Transfrau Marina Vidal, die nicht in Ruhe um ihren Liebsten trauern darf, sondern sich stattdessen einer Demütigung nach der anderen ausgesetzt sieht, schlicht umwerfend dar. Marina – früher Daniel – spricht nicht viel, doch der Kampf um sexuelle Selbstbestimmung spiegelt sich in ihren Augen und ihrem ganzen Gesicht und trägt den Film. Sie wehrt sich leise, aber extrem eindrucksvoll und erhobenen Hauptes.

„Aus Daniela wurde Marina und aus Marina Daniela“

Etwa wenn ein Polizist sie ignorant als Mann behandelt. Oder eine Kommissarin sie dazu zwingt, sich auszuziehen. Wenn Orlandos Ex-Frau Sonia, die es nicht erträgt, für eine Transgender-Frau verlassen worden zu sein, sie beschimpft, von der Beerdigung ausschließt und aus der Wohnung wirft. Oder wenn der Sohn des Verstorbenen ihr den Hund wegnimmt, ein Geschenk von Orlando, und handgreiflich wird. Nur Orlandos Bruder Gabo behandelt sie mit Respekt.

Marinas in vielen Close-Ups fast mikroskopisch zur Schau gestellte Würde steht in scharfem Kontrast zu den Beleidigungen, die sie tagtäglich von ihrer Umgebung erfährt – und lässt sie dadurch noch stärker und erhabener wirken. Eine fantastische Frau eben, einen prägnanteren Titel hätte Lelio für seinen fünften – und von Maren Ade („Toni Erdmann“) koproduzierten – Film vermutlich kaum wählen können.

Über seine – auch im echten Leben transsexuelle – Hauptdarstellerin sagte Lelio im Interview, zuerst habe er sie ausschließlich als Beraterin in Erwägung gezogen. „Als ich sie dann zum ersten Mal sah, war ich hin- und weg von ihrer Präsenz und ihrer Anmut. Wir haben stundenlang geredet, ich war wirklich überwältigt.“ Unmerklich sei dabei aus Daniela Marina und aus Marina Daniela geworden. „Als ich die erste Fassung des Drehbuchs fertig hatte, wusste ich, dass ich Daniela in der Rolle der Marina wollte.“

Kinostart: 7. September 2017

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Beitragsbild: (c) Foto Hoehne Presse

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