Schuld ohne Sühne: „El Club“ ist ein kirchenkritisches Psychodrama über eine Priester-WG am Ende der Welt

Nadine Emmerich 5. November 2015 0
Schuld ohne Sühne: „El Club“ ist ein kirchenkritisches Psychodrama über eine Priester-WG am Ende der Welt

Die chilenische Militärdiktatur unter Augusto Pinochet ist sein großes Thema, daran arbeitet sich der Regisseur Pablo Larraín Film für Film ab – zuletzt sehr erfolgreich mit „No!“ mit Gael García Bernal. Mit der Politsatire über eine Werbekampagne der Pinochet-Gegner Ende der 80er Jahre war 2013 erstmals eine chilenische Produktion für den Oscar für den besten fremdsprachigen Film nominiert. In Larraíns neuem Film „El Club“ tritt das Diktatur-Thema nun in den Hintergrund: Das in Blaugrau-Tönen auch optisch düster inszenierte Psychodrama über einen Haufen exkommunizierter Priester ist vor allem Kirchenkritik. Bei der Berlinale wurde der 38-jährige Regisseur dafür mit dem Großen Preis der Jury geehrt.

In einem Haus am Meer irgendwo am Ende der Welt in Chile wohnen vier verbannte Priester und eine auf sie aufpassende Nonne. Die Zeit vertreiben sie sich mit Beten, Trinken und Windhunderennen. Ihr zunächst mysteriöses Büßerdasein scheint eintönig – bis eines Tages ein neuer Sünder auftaucht: Pater Matías (José Soza). Dessen Vergehen werden schnell offenkundig, als der betrunkene Obdachlose Sandokan (Roberto Farías) im Vorgarten steht und den Neuen lauthals anklagt. Man muss nicht lange raten: Sandokan wurde als kleiner Junge von Pater Matías missbraucht, detailliert schreit das damalige Opfer die einzelnen Handgriffe des Geistlichen heraus.  Und was macht der Pater? Kurzen Prozess. Matías erschießt sich. Doch die frühere Ruhe wird in der Priester-WG, einer Art Knast light, nicht mehr einkehren. Die Kirche schickt einen schmucken Vertreter (Marcelo Alonso) zur Aufklärung des Selbstmordes. Und nach und nach schält sich heraus, womit sich die in die Provinz verbannten Männer ihren einsamen Platz am Wasser verdient haben. Neben Kindesmissbrauch ist dies etwa der Verkauf von Babys armer Eltern an reiche Paare mit Kinderwunsch. Auch Homosexualität reichte schon aus zur Abschiebung.

Mit der allmählichen Offenbarung gehen nach dem initialen Revolverschuss die Nadelstiche weiter – zwar leise und unaufgeregt, und oftmals vor dem gütigen Gesicht von Schwester Monica (Antonia Zegers), aber nicht minder eindringlich. „El Club“ ist ein großartiger Film, weil er vor lauter vermeintlicher Schuldlosigkeit schmerzt. Niemand aus dem Verein der Pädophilen, über die der Zuschauer zu Beginn des Films noch unwissend lacht, ist sich einer Schuld bewusst.  Nun ist es nicht neu, dass Selbstkritik in der katholischen Kirche nicht als höchste Tugend gilt. Die Leichtigkeit und Beiläufigkeit, mit der Larraín indes das absolute Gegenteil von Selbstreflexion inszeniert, ist jedoch extrem verstörend. Doch wer sollte die Windhund-Liebhaber in diesem Film auch anklagen? Selbst derjenige, der die Bequemlichkeit der Reuelosen stören könnte, Sandokan, mag nicht wirklich richten.

Trotzdem präsentiert Larraín kein eindeutiges Gut und Böse, schuldig oder nicht schuldig. Auch Priester García, der Ermittler-Psychologe, der ein anderes und neues Bild der Kirche präsentieren soll, bleibt eine etwas sperrige Figur. So viel sei aber schon verraten: Ein bisschen Hölle bringt er am Schluss dann doch in den Club der Sünder.

Kinostart von „El Club“ (The Club) ist der 5. November.

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