Kritik zu „Selma“ (2015)

Daniela Czink 26. Februar 2015 3
Kritik zu „Selma“ (2015)

Mit „Selma“ ist diesen Winter ein weiteres Biopic in die Kinos gekommen – der erste Hollywoodfilm über den wohl bekanntesten Sprecher und Aktivisten des Civil Rights Movement, Martin Luther King Jr. Dabei ist Aba DuVernays Film kein großer Überblick über Kings Lebenswerk; vielmehr konzentriert sich die Darstellung auf einen sehr kleinen Zeitraum seines Wirkens und ruft damit eine kurze, aber wichtige Phase der Bürgerrechtsbewegung in Erinnerung.

Am Beginn steht ein erfreuliches Ereignis: King (David Oyelowo) wird 1964 für seine Tätigkeit der Friedensnobelpreis verliehen. Während jedoch die Bürgerrechtsbewegung in den USA bereits lange nicht mehr an ihren Anfängen steht, sind vor allem in den Südstaaten Rassismus und politische Ausgrenzung weiterhin allgegenwärtig.

Diskriminierung zeichnet auch das Leben der Stadt Selma in Alabama, in der schwarze Bürger systematisch an der Ausübung ihres Wahlrechts gehindert werden, während Gespräche zwischen King und Präsident Lyndon B. Johnson (Tom Wilkinson) keine rasche Lösung der Frage nach gleichberechtigten Wahlen versprechen.

Selma“ zeigt im Folgenden die Ereignisse von Januar bis März 1965, in denen der Ort zu einem entscheidenden Symbol der Bürgerrechtsbewegung wird: Ein Protestmarsch von Selma in die Hauptstadt Montgomery soll auf die weiterhin bestehende Diskriminierung bei den Wahlen aufmerksam machen und Johnson zum Einlenken für eine schnellere Vorlage eines Wahlrechtsgesetzes bringen.

Der Konflikt wird an verschiedenen Schauplätzen ausgetragen. Ständig präsent ist er in Kings Zuhause, wenn seine Ehe mit Ehefrau Coretta (Carmen Ejogo) unter Einschüchterungsversuchen und Todesdrohungen leidet, im Weißen Haus, wenn Johnson das Thema hinter für ihn dringlichere Probleme zurückzustellen versucht, und schließlich gelangt er über die Bildschirme in zahlreiche amerikanische Wohnzimmer, Bars und andere öffentliche Einrichtungen. Als der erste Anlauf des Protestmarsches bereits auf der örtlichen Edmund-Pettus-Brücke blutig niedergeschlagen wird, werden diese Szenen aus Selma von Millionen beobachtet. Genutzt werden dafür Einspielungen originaler Filmaufnahmen, Bilder aus der Zeit einer aufkommenden politischen Wirksamkeit der Medien.

Ab diesem Moment wird der Protest nicht mehr allein von der schwarzen Bevölkerung Selmas durchgeführt, sondern erfährt die Unterstützung zahlreicher anreisender Sympathisanten, vor allem religiöser Menschen. Der Wunsch nach Absicherung durch eine gerichtliche Verfügung von Seiten Kings lassen den Protestmarsch jedoch erst beim dritten Anlauf zu, kurz darauf erfolgt die Gesetzesvorlage Johnsons, die ein uneingeschränktes Wahlrecht garantieren soll. Die Darstellung der Protestszenen scheut sich nicht vor einer gewissen Dramatik, ohne jedoch allzu sehr einem Pathos zu verfallen, das man häufig in Historiendramen vorfindet.

Generell ist dies sicherlich auch der grandiosen Besetzung der Rolle Kings mit Oyelowo zuzuschreiben, der ihn als überzeugten Aktivisten, aber auch Zweifler darstellt – kaum als einen Helden, der Geschichte schreiben will. Leider lässt der Film darüber hinaus die zahlreichen Nebenfiguren dort etwas blass im Hintergrund zurück, wo der Film durchaus Potential zu mehr geboten hätte, etwa bei Malcom X (Nigél Thatch) und Coretta. Ein weiteres Manko, vor allem da entscheidende Momente des Films von der Wortkraft und Rhetorik Kings leben: Dem Film standen die Rechte für die Originaltexte der Reden Kings nicht zur Verfügung, sodass diese abgeändert werden mussten.

Dennoch hinterlässt „Selma“ auf entscheidende Art und Weise Eindruck. Der Protest lebt im Film vor allem von Worten und Meinungen, zwischen King und den lokalen Aktionären und im Gespräch mit Präsident Johnson. Er wird als etwas Entstehendes gezeigt, das ständig zwischen den einzelnen Parteien neu verhandelt werden muss.

Als schließlich der letzte Versuch Kings glückt und der Protestmarsch Montgomery erreicht, dann drängt sich das Gefühl auf, dass dies zwar ein Ziel ist, jedoch kein endgültiges. Gerade durch seinen Charakter als Momentausschnitt einer viel längeren Geschichte hinterlässt „Selma“ ein Gefühl der Zeitlosigkeit, das einem sagt, dass es vieler solcher Momente gab und noch geben wird: Der Voting Rights Act beendet die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung nicht, und sie endet auch nicht mit Martin Luther King. Der Filmsong „Glory“, unter anderem mit einem Oscar ausgezeichnet, gibt dem Film mit seinem Verweis auf die Geschehnisse in Fergusson eine deutlich aktuelle Note. Ein Film, der zur Diskussion seiner Entstehungszeit beiträgt.

Selma läuft seit dem 19. Februar 2015 in den deutschen Kinos.

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