Girl on the Train Kritik: Emily Blunt als schluchzende Schnappsnase

Jonas Gröne 15. Oktober 2016 0
Girl on the Train Kritik: Emily Blunt als schluchzende Schnappsnase

Etwas betrunken und plumpig kommt der neue Mystery-Thriller von Tate Taylor (The Help) daher. Und das liegt nicht daran, dass die vom zwanghaften Voyeurismus gematerte Rachel (Emily Blunt) sich des Öfteren einen hinter die Binsen kippen muss. Oder auch zwei. Es liegt vielmehr am zu arg gesetzten Fokus in The Girl on the Train, die vergangenheitsgebrochene Rachel vorderhand in ihrer Verstörtheit als die eigentliche Story einzuheimsen. Und dieses auch noch in absolute auf die Leinwand zu bringen. Sicario-Star Emily Blunt spielt dabei, wenn auch gut, eine Rolle, die zu massiv in verzweifelten Emotionen verspickt ist. Too much, würde der Engländer sagen. Die Folge sind desperat verschlagene Bilder einer Frau, nichtssagendes Gesichtsspiel oder trunken aufgequollene Amnesie. Dabei bot die gleichnamige Bestseller-Vorlage von Paula Hawkins doch mehr, als dieses Übermaß an Verzweiflung.

Die Story ist schnell erzählt. Rachel Watson (Emily Blunt) hat ihre Trennung von Familienmensch Tom (Justin Theroux) noch nicht verkraftet. Jeden Tag nimmt sie den Pendlerzug nach Manhattan. Und zurück. Reine Beschäftigungstherapie. Auf dieser Zugstrecke allerdings, begegnet sie täglich ihrem ehemaligen Haus, ihrem verlorenen Leben. Denn Tom wohnt jetzt dort mit Anna (Rebecca Ferguson) und dem gemeinsamen Kind. Nach dem schmachtend, was Anna hat, stalkt Rachel und schiebt Telefonterror. Tom tut sich als schützender Familienvater. Mit diesem Leben nicht klarkommend, stürzt sich Rachel seit geraumer Zeit in depressives Trinkfeuer. Nach ihren Saufnächten hat sie vage Erinnerungen an das Geschehene. Doch nach einer Nacht wacht sie mies zugerichtet mit blutigem Schädel in ihrer Wohnung auf und was Schlimmes war geschehen. Kurze Zeit später erscheint die Polizei. Eine Megan (Haley Bennett) wird vermisst. Aber wer ist Megan? Rachel glaubt, sich an etwas zu erinnern, sie denkt, Megan zu kennen und geht mit Megans aggressiv gesteuerten Mann (Luke Evans) der Sache nach. Die Suche nach der Wahrheit wird zugleich zur Odyssee nach ihrem eigenen Ich, denn die verschwundene Megan scheint ein Schlüssel zu sein.

Der richtige Schlüssel hätte auch stilistisch anwendbar gemacht werden müssen. Etwas zu verwaschen wirkt die maßgebende Szenerie. Perspektiven auf verschwommene Wimperntuschgesichter, trancenreiche Rauschzustände oder melodramatisches Intermezzo können nicht auf Dauer in gleichbleibender Kontur aufgekommene Zuschaueremotionen runterspülen. Irgendwann bleibt das Gemüt hängen. Nüchtern stilisiert sich dann der Film. Die musikalische Untermalung hat da schmerzhaft Abhilfe geleistet. Thriller-Musik heißt nicht gleich, dass es nur ein Album für das Genre des Thrillers gibt. In The Girl on the Train kam es einem so vor. Den Schneid dann am Ende abzukaufen, ist da nicht so einfach. Wenn die Narrativstimme anfangs sagt, sie sei nicht das Mädchen, das sie sein soll und am Filmende meint, jetzt sei sie es, aber dazwischen nur die Anfangsstimme zu spüren ist, wirkt das zu scheinheilig. Produzent Marc Platt sagt zur Vorlage: „Der Roman ist nicht nur spannend, sondern erzählt von einer persönlichen Entwicklung.“ Verzweifelt, niedergeschlagen, suchend, aber nicht irgendwie verändert durch eine persönliche Entwicklung ist Rachel.

Neben trist umwölkten Zugbildern, macht der Film aber eines interessant: Die idealistische Vorstellung vom Psychothriller, in welchem die Hauptfigur danach trachtet, Wahrheit und Illusion zu lüften. The Girl on the Train tut das und nutzt dabei, jene Mittel vom Voyeurismus und dem Erinnerungsschwund, die Altmeister Hitchock erst so richtig in die Thriller-Wiege brachte. Auch, wenn Taylors Streifen die Fäden schlussendlich filmisch eine Spur zu obligatorisch zusammenlaufen ließ. Man kommt aber nicht umhin, eines zu sagen: The Girl on the Train ist kein guter Thriller. Vielleicht will Taylors neuer Film nur eine Geschichte von diesem Mädchen im Zug sein, das einfach nicht weiß, was es wirklich ist. Denn man hat das Gefühl, der Film weiß es auch nicht so recht.

The Girl on the Train kommt ab dem 27. Oktober 2016 in die deutschen Kinos.

OT: The Girl on the Train

Regie: Tate Taylor

Länge: 112 Minuten

Genre: Mystery/Thriller

Beitragsbild: © Universal Pictures

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