Hide And Seek (2013): Kritik zur Blu-ray – ab 26.09 im Handel

Martin 29. September 2014 0
Hide And Seek (2013): Kritik zur Blu-ray – ab 26.09 im Handel

Irgendwann kam in unserer Gegend ein seltsames Gerücht auf. Es war ein Gerücht über Menschen, die sich heimlich in die Wohnung fremder Leute schleichen und dort verstecken.

Dieser kurz nach dem Beginn des Films – einer blutig-schaurigen Sequenz folgend – aufgesagte Text wirkt in Kombination mit dem dabei hinterlegten, in einem tiefen Rot getauchten Wohnblock des nachts wie ein Auftakt zu einem tiefenpsychologischen Horrorfilm. Mit dem Anrollen der End-Credits, spätestens dem Begutachten des Blu-ray-Covers oder dem Zugemütefahren des Making-Ofs kommt aber die Erkenntnis, dass der Titel „Hide And Seek“ sowie die ihn begleitenden Suggestionen sich nicht als zentrale Filminhalte, sondern als den Plot anstoßende Akzente wiederfinden. Diese Akzente liegen auf einer zweiten, nicht sichtbaren Ebene als das bloße Gezeigte und sprechen menschliche Ängste an. Aber weder geht es im Film hauptsächlich darum, dass Leute anderer Leute Identitäten klauen (Der talentierte Mr. Ripley, 1999), noch stellt sich „Hide And Seek“ primär als beklemmend-gruselige Entmachtung der Wohnung oder Privatsphäre durch Fremde alá „Sleep Tight“ (2011) heraus. Auch ist der Fokus nicht auf „die eigentlich vertraute und doch beklemmende Umgebung der eigenen Wohnung“ gerichtet (aus dem Review zu Der Mieter, 1976). Vielmehr ist das Erstlingswerk des Koreaners Jung Huh, der sowohl das Drehbuch schrieb als auch Regie führte, ein klassischer (Rache-)thriller. Für die südkoranische Ausführung heißt das oft: Große Plot-Twists, rasante Sequenzen, stellenweise ziemlich brutal (mit Tritten oder Schlagwaffen). Einen passenderen Titel als „Hide And Seek“ (übersetzt: Versteckspiel) hätte man wohl frei nach einem Metallica-Song in „Seek And Destroy“ (Finden und Zerstören) gefunden.

Seong-soo (Hyeon-ju Son) ist ein wohlhabender, erfolgreicher Geschäftsmann der zusammen mit seiner Familie, genauer seiner Frau (Mi-seon Jeon), einer Tochter und einem Sohn, in einem noblen Viertel lebt. Eines Tages bekommt er einen Anruf. Es wird ihm mitgeteilt, dass sein Bruder seit einiger Zeit vermisst sei und er seine Sachen aus dessen Wohnung abholen könne. In der gleichen ärmlichen Wohnungssiedlung wie aus dem Anfangssegment des Films angekommen, bemerkt er an den Türklingeln Geheimzeichen. Schnell findet Seong-soo heraus, dass diese Zinken dafür stehen, wieviele Personen welchen Geschlechts eine Behausung bewohnen. Die Suche nach seinem Bruder und die Nachforschungen in dem kargen Mietwohnungsblock weiten sich bald zu einer Gefahr für Seong-soo und seine Familie aus.

Das gute Schauspiel von Hyeon-ju Son und das Drehbuch selbst tragen dazu bei, dass sich die Figur Seong-soo mehr über das definiert, was nicht gesagt oder erlebt wird, als das was gesagt wird. Sein behangener Blick zeugt von der Last vergangener Erinnerungen und Schuld. Warum hat er seiner Frau nie etwas von seinem Bruder erzählt? Einiges vom visuellen Flair des elegant und gut ausgestatteten Films machen die stakkatohaft geschnittenen Nahaufnahmen aus. Im Fall von Seong-soo erfüllen sie den Zweck, seinen Reinlichkeitsfimmel und seine Ordnungsliebe darzustellen. Das bleibt nicht das einzige Element, über das der Film versucht, Diskrepanzen urbaner Lebensverhältnisse aufzuzeigen.

So fesselnd der Film auch sein kann, so wird die kreierte Spannung öfters auf Kosten der Handlungen der Charaktere wider ihrer Instinkte gewonnen: „Hide And Seek“ verlässt sich zumeist darauf, Spannung aktiv zu erzeugen, als diese organisch durch seine Charaktere erzeugen zu lassen. Diese werden damit teilweise zu Abziehbildern, was besonders im letzten Akt manchmal zu unfreiwillig komischen Situationen führt. Doch gerade durch diese über die Strenge schlagenden Herangehensweise übt „Hide And Seek“ auch eine seltsame Faszination aus. Der Film ruht nur selten, hat ein schnelles, aber niemals ermüdend wirkendes Erzähltempo, hinter jeder Tür oder jedem Schrank versteckt sich eine neue Wendung. Der mal mit einem Piano gepielte, verspielt wirkende, mal aus wuchtigen, elektronischen Klängen bestehende Soundtrack unterstützt dieses Wechselspiel zwischen Offenbarung und (kurzer) Nicht-Sichtbarkeit hervorragend.

Die schaurigsten Momente von  „Hide And Seek“ sind in seinen Elementen versteckt, die sich gar nicht real abspielen oder in denen vordergründig nichts passiert. Zu ersterem zählen die Traumsequenzen des Hauptcharakters. Beklemmend wird es auch bei den klassischen Filmmomenten „Zusammen mit einem (stummen) Fremden im Fahrstuhl“ und „Fremder klopft laut an Tür“, die im Laufe der Filmgeschichte so oft ihre Anwendung gefunden haben, dass eine Beispielnennung eines entsprechenden Film überflüssig wäre. Warum ich diese Beispiele nenne? Zum einen greift „Hide And Seek“ bewährte Filmsequenzen auf, die seit jeher in einem Thriller funktionieren und die ihre Wirkung auch nicht verfehlen. Zum anderen hat der Stoff soviel Potenzial, dass man ihn ohne weiteres zu einem ganz anderen Film abseits dieser allseits bekannten „Momente“ formen könnte oder hätte formen können.

Fazit

„Hide And Seek“ ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Thriller, ein Film, der sich als Film versteht, der den Zuschauer jederzeit fesseln und unterhalten will und das durch die beschriebene Streuung von „Überraschungen“ auch durchweg gut schafft. Wer Story-Wendungen und rasante Thriller mag, der ist mit diesem Film gut beraten. Einen besonders tiefgründigen Psychothriller mit stark ausgearbeiteten Charakteren sollte man dagegen nicht erwarten.

Seit dem 26. September 2014 ist das Erstlingswerk von Jung Huh auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Hide And Seek (2013): Kritik zur Blu-ray – ab 26.09 im Handel

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