„Live by Night“ (2016) Kritik: Style ohne Substanz

Bernhard 16. Februar 2017 0
„Live by Night“ (2016) Kritik: Style ohne Substanz

Ben Affleck konnte die wenigsten Kritiker 2016 als DC’s Batman überzeugen, auch wenn seine Eins-gegen-Eins mit Superman ein Erfolg an den Kassen war. Das lässt sich von seiner im Dezember veröffentlichten Regiearbeit „Live by Night“ nicht sagen (20 Millionen US$ gegen ein Budget von 65 Millionen US$), welche wahrscheinlich den überragenden Boxoffice-Flop seiner Karriere markieren dürfte. Bleibt nun die Frage: Wurde Afflecks Gangsterepos zurecht abgestraft?

Im Boston der 1920er Jahre ist Joseph Coughlin (Affleck selbst) ein berüchtigter Räuber, der sich aber aus dem Alkoholkrieg zwischen Iren und Italienern herauszuhalten versucht. Als bei einem missglückten Bankraub drei Polizisten sterben, ist Coughlin Staatsfeind Nr. 1 in der Stadt. Seine Affäre mit Emma (Sienna Miller), der Lebensgefährtin des Anführers der Iren, Albert White (Robert Glenister), kostet ihn fast das Leben, nur eine Verhaftung durch seinen Vater, Polizeikommissar Thomas Coughlin (Brendan Gleeson), rettet ihn vor dem Zorn des irischen Gangsterbosses. Nachdem Coughlin eine relativ kurze Haftstrafe abgesessen hat, will er Rache an White nehmen und wendet sich deshalb an Maso Pescatore (Remo Girone), den Erzfeind Whites. Der schickt ihn nach Tampa, Nordflorida,  mit der Aufgabe, die zu Zeiten der Prohibition lukrative illegale Destillation von Rum und Vertrieb desselben zu koordinieren.

Live by Night (2016) Coughlin (Affleck) and Friend walking in Ybor City (c) Warner Bros. Pictures Joe Coughlin (Ben Affleck) und Kumpel Dion Bartolo (Chris Messina) spazieren durch Tampa (c) Warner Bros. Pictures

Es scheint fast surreal, dass Affleck tatsächlich schon ein paar Mal Regie geführt und beispielsweise den Oscar für den besten Film (Argo) bekommen haben soll, schaut man sich seinen neuesten Film an. Die Story strotzt nur so von Klischees und Ungereimtheiten. Die meisten Konflikte, die sich zwischen den verschiedenen Charakteren entwickeln, sind nur skizzenhaft angedeutet und wirken schlicht unglaubwürdig oder konstruiert. Dass sich Coughlins Schwarm Emma und sein Vater, beide gebürtige Iren, nicht verstehen, weil sie aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus stammen, dient offensichtlich einzig dazu, einen halbgaren Streit zwischen den beiden Verliebten zu rechtfertigen. Und dass die Anhänger des Ku Klux Klans in Tampa gekrümmt gehende, schielende und hasenschartige Hinterwäldler sind, bedient praktisch jedes vorhandene Klischee über die bekannte Hassvereinigung. Man merkt Affleck an, dass er in „Live by Night“ eine politische Stellungnahme für mehr Toleranz und interkulturelles Zusammenleben vermitteln will, aber leider erscheint die liberale Botschaft immer plump und künstlich, aufgesetzt und nimmt dem Film viel seiner Glaubwürdigkeit.

„Ich bin seit 30 Jahren Polizist in dieser Stadt […]“, sagt Coughlins Vater im Gespräch mit seinem Sohn, aber man kann davon ausgehen, dass dieser im Bilde ist, was den Job seines Vaters angeht. Unverschleierte Exposition, und nicht der einzige Dialog, bei dem sich dem Zuschauer schlicht die Haare sträuben: Afflecks Drehbuch zeigt sich anfängerhaft und uninspiriert. Dialog dient hier nur dazu, wichtige Eckpunkte der Vorgeschichte unseres Protagonisten schnellstmöglich dem Zuschauer reinzuwürgen.

So schwach die Story ist, so stark ist das Produktionsdesign. Optisch ist „Live by Night“ eine Perle. Die Kostüme sind unglaublich aufwendig und authentisch gestaltet (Coughlin trägt in buchstäblich jeder Szene einen anderen Anzug), die Lokalitäten im kalten, grauen Boston kontrastieren hervorragend mit den sonnigen, staubigen und bunten palmengesäumten Straßen Tampas. Auch die Actionszenen hat Affleck außergewöhnlich gut umgesetzt, in schnellem, aber nicht zu stark geschnittenen Aufnahmen. Allerdings arbeitet der Regisseur sehr viel mit Collagen, vor allem, um eskalierende Konflikte zwischen zwei Gruppen über eine längere Periode in kurzer Zeit zusammenfassen. Das ist keine Kunst, trägt aber zu dem stylischen Outfit des Films bei.

Trotzdem enttäuscht Ben Affleck als Regisseur in „Live by Night“ auf ganzer Linie und ist kaum wiederzuerkennen, worüber auch die ansehnliche, historische Optik nicht hinwegtäuschen kann.

Beitragsbild und Video (c) Warner Bros. Pictures

„Live by Night“ (2016) Kritik: Style ohne Substanz

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