„Schneeflöckchen“ Kritik – Fantasy Filmfest 2017

Benedikt Brosowski 9. September 2017 0
„Schneeflöckchen“ Kritik – Fantasy Filmfest 2017

Dystopie. Berlin. Chaos.

Die beiden Spitzbuben Tan und Javid scheinen vorerst aber ein anderes Problem zu haben: der Döner schmeckt nicht. Diese Problematik lösen sie nicht zwingend einstimmig, jedoch blutig. Schusswaffen und Kettensäge sind ihre Accessoires. Sie klauen einen prominent geparkten Audi aus den 80er-Jahren und finden in eben diesem ein Filmskript. Doch statt fesselnder Fiktion beinhaltet es für die beiden Ganoven finstere Realität. Jedes bis dato gesprochene Wort, alle bisherigen Handlungen. Alles steht dort 1:1. Egal wie sie fortfahren, im Skript ist es niedergeschrieben. Ein Blättern zur letzten Seite scheint die Stimmung nicht aufzubessern. Laut Handlungsverlauf sollen die beiden Buddies draufgehen. Doch wie lässt sich die Handlung eines schon stattfindenden Films innerhalb des Films ändern? Korrekt. Man sucht den Autor auf. Seines Zeichens Zahnarzt und ein konzentrierter Zeitgenosse mit dem Ziel, ein Meisterstück zu verfassen. Ein bisschen Folter und Tan und Javid erlangen ein wenig Macht, sich in das Drehbuch einzumischen. Aber klar, auch das ist schon vom Skript vorbestimmt.

Schneeflöckchen Poster Film Fantasy Filmfest ©Lopta Film

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Mehr…

Das könnte gar schon die komplette Handlung für einen abendfüllenden Spielfilm sein. Doch ganz so entspannt soll es nicht bleiben. Denn in Polen ist es zwar ruhig, aber der Autor des Films Arend Remmers hält eine zweite Handlungslinie für uns bereit. Eliana sehnt sich nach Rache, um die Mörder ihrer Eltern vor die Selbstjustiz zu stellen. Unterstützt wird sie von ihrem Bodyguard auf der Suche nach einem geeigneten Auftragsmörder. Außerdem ist sie persönlich mit Gott bekannt.

Noch mehr…

Haben wir was vergessen? Ja! Es gibt einen sich im Berliner Chaos herausproduzierten Superhelden Hyper Electro Man. Für die Gerechtigkeit mit Elektrostößen einsetzend. Zudem spielt ein Engel eine nicht ganz unwichtige Rolle für unsere beiden Gauner. Puh. Ganz schön viel, oder? Um die Sache abzurunden und die Frage in den Raum zu werfen, ob sich unsere beiden Handlungsstränge wohl treffen werden: So wie Eliana sind auch Tan und Javid auf Rachefeldzug. Sie suchen einen ominösen Mann namens Winter. Der klassische Antagonist aus dem Untergrund. Er soll für den Tod an Tan und Javids Familien verantwortlich sein. Somit finden sich bei Eliana und den Boys durchaus Parallelen und erstaunlicherweise ist der Zusammenhang direkter als man erwartet hätte.

Willkommen im wiederauflebenden deutschen Genre-Film!

Willkommen Regisseur Adolfo J. Kolmerer und sein Spielfilmdebüt! Willkommen Kino-Newcomer Reza Brojerdi und Erkan Acar, die uns sensationell schön anzuschauende Buddy-Momente liefern! Neben all der Action, den VFX und durchaus auch übersättigenden Ideeneinschlägen, um die Originalität und Irrsinnigkeit des Films zu steigern, ist es nämlich das Zusammenspiel der beiden Freunde, das den wichtigsten Bestandteil des Films ausmacht. Der Rest führt zum Einen dazu, dass man zu Beginn nur schwer in die Parallel-Handlung einsteigen kann. Man fragt sich warum Eliana mit ihren Filmgenossen großteilig Englisch spricht, denn überzeugen deutsche Genrefilme am besten, wenn sie nicht versuchen in amerikanisches Action-Kino abzudriften. Zum Anderen birgt er die Gefahr zu vieler Klischee-Momente. Doch für den Fall, dass das das Ziel war, möchte man hier die Verantwortlichen beglückwünschen, denn natürlich sind sie trotz geringem Budget sehr gut gemacht!

Schneeflöckchen Film Fantasy Filmfest ©Lopta Film

Gut gemachtes, aber Klischee-Kino. ©Lopta Film

Am Besten gefällt die Meta-Verwirrung durch das Drehbuch des Films im Film selbst. Das führt sowohl Protagonisten als auch den Zuschauenden an den Rand des Verstands und scheint eine unlösbare Sache zu sein. An dem spielerischen Gedanken kann man sich nicht satt sehen und grübeln. Daher birgt der Film in diesem Punkt ein wirklich großes und wichtiges Potential an Originalität im deutschen Film.

Trotz dieser Vorzüge, darf sich „Schneeflöckchen“ bisher leider nicht eines offiziellen Kinostarts erfreuen. Dafür aber hat er es ins Programm des diesjährigen schon laufenden Fantasy Filmfests geschafft, was deutschen Produktionen selten passiert. Anzuschauen ab dem 14. September in Stuttgart bis zum 30. September in Nürnberg und bis auf Frankfurt immer in Anwesenheit des Regisseurs und weiteren Team-Mitgliedern. Genaueres zum Filmfest-Programm findet sich hier.

Dem Film gilt es also nur zu wünschen, möglichst viele Zuschauende zu finden, um nicht ausschließen zu müssen, dass man von Kolmerer, Brojerdi, Acar und Remmers in Zukunft noch einiges Cineastisches hört.

Bilder und Video: ©Lopta Film & Capelight Pictures / Affiliate Link

„Schneeflöckchen“ Kritik – Fantasy Filmfest 2017

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