Shutter Island: Kritik zum Thriller von Martin Scorsese

Lida Bach 7. Mai 2016 1
Shutter Island: Kritik zum Thriller von Martin Scorsese

Dass Leonardo DiCaprio tatsächlich einmal den Oscar mitnimmt, kann man kaum glauben, wenn man ihn in Martin Scorseses Psychothriller knallchargieren sieht. Nicht nur deshalb hat der auf der Berlinale 2010 mit großem Brimborium enthüllte Film einen gewissen Spaßfaktor. In Retrospektive ist der fatalste Fehler von Martin Scorseses pathetischem Psychokrimi wohl, dass er seine unverkennbaren Pulp-Aspekte verleugnet. Doch der Regisseur, der bei seinen Underdog-Filmen mehr überzeugte als mit von Oscar-Fanfaren begleiteten Mainstream-Streifen will unbedingt ein markerschütterndes Meisterwerk vorlegen. Darauf deutet schon die Auswahl der Zutaten hin. Ein zugkräftiger Star, eine dekorative weibliche Ergänzung und als Sahnehäubchen die Kinoveteranen Ben Kingsley und Max von Sydow für stilvolles Arthouse-Flair. Die Romanvorlage stammt von Dennis Lehane (Boardwalk Empire), der die Buchvorlagen zu Mystic River und Gone, Baby, Gone schrieb. Dazu ein Budget von 80 Millionen, plus horrende Werbeausgaben.

Doch böse Omen spielen nicht nur für die wie einem Groschenroman entstiegenen Ermittler U.S. Marshal Teddy Daniels (DiCaprio) und Chuck Aule (Mark Ruffalo) eine entscheidende Rolle. Eines der ersten schlechten Vorzeichen ist die dramaturgische Überfrachtung einer Story, die auf den denkbar plattesten und verstaubtesten Twist hinausläuft. Wäre Shutter Island ein Produkt der Ära, in der er spielt, wäre diese Wendung womöglich noch originell. Doch selbst dann bliebe der Exzess an reißerischen Motiven. Die Protagonisten: Ein psychisch angeknackster Ermittler, sein zäher Partner, eine entflohene Mörderin (Emily Mortimer), ein zwielichtiger Anstaltsleiter (Kingsley), ein Furcht einflößender deutscher Arzt (von Sydow). Der Schauplatz: eine gruselige Nervenklinik für Schwerkriminelle auf einer einsamen Insel, wo angeblich brutale Experimente mit den Gefangenen durchgeführt werden. Das Wetter: bedeckt, düster, stürmisch. Verständlicherweise sind die Ermittler über ihre Mission wenig erfreut. Besonders Daniels leidet von der ersten Minute an. Er hat nicht nur ein Trauma, sondern zwei: seine Erlebnisse als Soldat im Zweiten Weltkrieg und der Tod seiner Familie bei einem Feuer, gelegt von einem irren Brandstifter. Und wer ist wohl noch auf der Insel …?

Richtig, der Brandstifter. Und Daniels, den das volle Spektrum warnender Wahnanzeichen plagt: unheimliche Visionen, Kopfschmerzen und ein unaussprechliches Geheimnis. Die trashigen Genreelemente türmt Scorsese so schwindelerregend aufeinander, als habe er nur darauf gewartet, einen Schauerfilm zu drehen. Das Resultat ist allerdings nicht mehr als ein ermüdend konventioneller Standardthriller, voller inszenatorischer Effekthascherei und psychologischer Prätention. Früh verraten wenig subtile Details an, was vor sich geht. Der Plot glänzt bestenfalls durch eine clevere Kalkulation des Publikumsgeschmacks. Die entscheidenden Hinweise sind gerade ausreichend verborgen, dass die Suche Aufmerksamkeit erfordert, doch nicht zu übersehen, sodass sich am Ende jeder zur Lösung des Puzzles selbst beglückwünschen darf. „Es ist ein kafkaesker Geniestreich“, sagt in einer Szene eine Patientin über die Ereignisse auf der titelgebenden Gefängnisinsel. Sorry, aber die psychologische Suggestion funktioniert nicht.

OT: Shutter Island

Regie: Martin Scorsese

Produktionsland: USA

Produktionsjahr: 2010

Verleih: Concorde Filmverleih GmbH

Länge: 127 min.

Kinostart: 25. Februar 2010

Beitragsbild © Concorde Filmverleih GmbH

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