„Sicario“ (2015) Kritik zum neuen Thriller mit Benicio Del Toro und Emily Blunt

Philipp Schmidt 28. September 2015 1
„Sicario“ (2015) Kritik zum neuen Thriller mit Benicio Del Toro und Emily Blunt

Denis Villeneuves („Prisoners“) neuer Action-Thriller erzählt eine weitere Geschichte aus dem Niemandsland zwischen den USA und Mexiko, wo Menschenleben den Drogen-Kartellen nichts wert sind und Strafverfolgung unmöglich ist – zumindest die legale.

Kate Macer (stark: Emily Blunt) vom FBI ist zwar noch jung, aber durchaus erprobt in Sachen Drogen-Razzien. An diesem Tag in Phoenix, Arizona erwartet sie und ihre Kollegen allerdings ein neues Ausmaß des Schreckens. In einem unscheinbaren Vorort sind in einem Haus dutzende Leichen in die Wände gemauert – jeweils wohl Opfer von Drogenkartellen, die allesamt mit Plastiksäcken erstickt wurden. Das zieht die mediale Aufmerksamkeit auf sich.

Macer wird einer Gruppe von Spezial-Ermittlern um Matt Graver (Josh Brolin) zugeteilt, der von „ganz oben“ den Auftrag hat, eine Einheit aus CIA, Militär, Texas-Rangern und externen Beratern zusammenzustellen, um einem der Drogen-Bosse das Handwerk zu legen. Einer dieser Berater ist der undurchsichtige, ehemalige kolumbianische Staatsanwalt Alejandro (Benicio Del Toro).

Schnell ist klar: Nicht die Kartelle allein leben in Parallelwelten, sondern ebenso die Ermittler, die ihnen nachstellen. Staunend sitz der Zuschauer mit im Briefing-Raum, wenn die neu formierte Truppe ihre Einsatzziele erhält. 150kg-Delta-Force-Soldaten, Cowboy-Hut tragende Texas-Ranger und CIA-Agenten geben einen starken Eindruck vom unerbittlichen Handwerk des Tötens, das auf beiden Seiten der Grenze und des Gesetzes beherrscht wird. Der Film ist entsprechend dann am stärksten, wenn man als Betrachter zusammen mit der grünschnäbligen Kate den Drogenfahndern bei der Arbeit in Juárez zusieht. In tollen Point-of-view-Shots fahren wir in schwerbewaffneten Jeep-Konvois durch „die Bestie“, wie Juárez unter den Profis heißt. Es ist auch in Wirklichkeit eine der gefährlichsten Städte der Welt, durch die etwa 40 Prozent des Kokains auf dem US-amerikanischen Markt geschleußt werden.

Der Drive, den „Sicario“ dabei über die meiste Zeit entwickelt, ensteht in der Zusammenarbeit zwischen Regisseur Villeneuve und seinem Kamera-Könner Roger Deakins. Der kennt nicht nur die Rio-Grande-Gegend bestens, sondern hat auch schon zusammen mit Josh Brolin für den Oscar-prämierten „No Country For Old Men“ der Coen-Brüder  in der selben Thematik gefilmt. So ist „Sicario“ dann vor allem ein visuelles Ereignis, das insbesondere in den ersten beiden Dritteln unheimlich packend ist. Man spürt in meditativen Einstellungen der kargen Grenzlandschaft und des Hochsicherheits-Grenzzauns immer Deakins Stilwillen.  Der versucht oft, seine Bilder den realen Überwachungsinstrumenten anzunähern: Wärmebild-, Nachtsicht-, Satelliten- und Drohen-Aufnahmen werden immer wieder suggeriert. Zusammen mit Villeneuves Inszenierung entsteht eine ansteckende Spannung.

„No Country For Old Men“ (Coen-Brüder)  und „The Counselor“ (Ridley Scott) haben in den letzten Jahren das nicht nur für Amerikaner drängende Thema der Grenze zu Mexiko und des Drogenkriegs behandelt und versucht, zumindest die moralische Trennlinie aufzuweichen. „Sicario“ knüpft hier an. Auch in Villeneuves Film geht es um das Verwischen der Grenze zwischen gut und böse. Auch hier geht es darum, darauf hinzuweisen, wie absurd nahe in El Paso/Juárez „Erste“ und „Zweite“ bzw. „Dritte Welt“ aufeinandertreffen, darum, wie ähnlich sich freie Marktwirtschaft und Drogenhandel hinsichtlich ihrer Profiteure sind. Bei Cormac McCarthy, der die Roman-Vorlagen bzw. die Drehbücher zu den ersten beiden erwähnten Filmen geschrieben hat, bleibt die Ambivalenz, sogar die Ratlosigkeit am Ende bestehen, und gerade das macht die Filme so stark.

„Sons Of Anarchy“-Schauspieler Taylor Sheridan hingegen, der das Drehbuch zu „Sicario“ geschrieben hat, lässt den Plot am Ende zu geradlinig auslaufen, wenn auch durchweg unterhaltsam. Der Geschichte wird kaum Zeit gelassen: Weder für Figurenpsychologie noch für Langeweile. Das Erzählte spielt sich in einem Zeitraum von nur drei Tagen ab. Auch deshalb ist das Ende etwas unbefriedigend angesichts der Tragweite, die vorher im Film aufgemacht wird.

Das ändert aber nichts daran, dass „Sicario“ absolut sehenswert ist – ein authentischer und knüppelharter Drogenthriller, der vor allem durch seine ambitionierte Ästhetik, seine Thematik sowie die guten Hauptdarsteller besticht.

„Sicario“ von Denise Villeneuve mit Benicio Del Toro, Emily Blunt und Josh Brolin läuft in den deutschen Kinos ab dem 1. Oktober 2015.

Beitragsbild und Video (c) Lionsgate 2015

„Sicario“ (2015) Kritik zum neuen Thriller mit Benicio Del Toro und Emily Blunt

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