„Verjährung“ Kritik: Neo-Noir aus Südkorea

Max Christ 28. April 2015 0
„Verjährung“ Kritik: Neo-Noir aus Südkorea

Nach 15 Jahren werden in Süd-Korea unaufgeklärte Entführungsfälle (mit Todesfolge) als verjährt erklärt. Der Fall wird zu den Akten gelegt und der unbekannte Täter ist unschuldig, mit der Annahme, er hätte genug Zeit gehabt zu büßen, und die Wunden der Opfer wären verheilt. Cheon-ho, der damals zuständige Ermittler des Falls, konnte sein vergangenes Versprechen den Täter zu finden und die Tochter heil wieder heim zu bringen nicht einhalten. Enttäuscht, beschämt und wütend, gesteht er so der entsetzten Mutter Ha-kyung, er hätte versagt und teilt ihr mit, in 5 Tagen könne er nichts mehr für sie tun. Niedergeschlagen und von der Trauer der Mutter mitgenommen besucht er daraufhin den Tatort. Eine verlassene Straße, in der Kurve an einer schwach abfallenden Klippe zwischen Wald und Fluss gelegen. Asphaltierter Weg, raschelnde Bäume, fließendes Wasser und eine kleine, in Folie eingepackte Rose. Das erste Lebenszeichen des Täters nach 15 Jahren, der von der Verkehrskamera aufgenommen wurde und so einen Wettlauf gegen die Zeit lostritt. Im gleichen Zeitraum wird ein weiteres Mädchen entführt – die Parallelen der beiden Fälle sind beachtenswert.

„Verjährung“ punktet vor allem durch die Erzählweise der Handlung, die mit mehreren Handlungssträngen aufwartet und diese mit anfangs verwirrenden Rückblenden garniert, welche im Laufe der Handlung an Trübheit verlieren und letztendlich überraschen. Der Zuschauer, als auch damals nicht beteiligte Personen, lernen so zunehmend mehr von der damaligen Entführung. Am Ende finden sich die Stränge der Vergangenheit und der Gegenwart an einem Ort wieder und bilden einen imposanten Abschluss. Von Anfang bis Ende bekommt man hier ein überzeugend geschriebenes Werk dargeboten, das mit emotionalen Momenten brilliert, in rar gesähten Action-Szenen punktet und mit mehreren Enthüllungen das Publikum packt. Das ein oder andere Klischee verblieb dennoch im Skript.

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Ummantelt wird diese Geschichte von einer atmosphärischen Sogkraft. Im einen Moment wird eine regnerische Großstadt geboten, schwach beleuchtet und nur durch Neonschilder und Scheinwerfer als eine solche erkennbar. Jenes Stadtbild untermalt von tiefer, dröhnender, sich in alle Ecken ausbreitende Musik, erinnert dabei an Neo-Noir-Klassiker. Hingegen in der nächsten Szene, könnte es ein gewöhnlicher Kriminalfall sein. Der Kontrast zur düsteren Darstellung, bieten malerische Naturaufnahmen, in Wäldern oder an Flüssen gelegen. Doch egal welche Sequenz, stetig ist die Bedrohung spürbar. Leider wird dieser Mantel von erdrückender Stimmung, wie es bei den meisten fernöstlichen Werken üblich ist, durch manche Momente von Humor, Albernheit und Dummheit gebrochen. Für die Leser, welche unter anderem „Memories of Murder“ gesehen haben, jedoch der Trost, dass es bei Weitem nicht so extrem ist und dem Film kaum schadet.

„Verjährung“ teilt mit dem empfehlenswerten „Memories of Murder“ (Joon-ho Bong), der mit „Oldboy“ (Chan-wook Park) am Aufschwung des südkoreanischen Thriller-Kinos mitverantwortlich war, nicht nur die allgemeine Grundstimmung und die hohe Qualität, sondern auch den Hauptdarsteller Sang-kyung Kim. Wie im Vorbild, spielt er sehr überzeugend den ruhigen Ermittler, immer auf alle Details achtend und sich nie auf die erste, offensichtliche Spur festbeißend. Er ist der smarte, intelligente Einzelgänger und sein Lebensinhalt ist die Ergreifung des Entführers. Ein kleiner Wermutstropfen ist dabei, dass er teilweise wieder als zu guter Detektiv dargestellt wird und trotzdem alle Beweisstücke ohne Handschuh anfasst.

Jeong-hwa Eom verkörpert die Mutter, die 15 lange Jahre um den Verlust ihrer Tochter trauern musste, ohne je einen Schlussstrich ziehen zu können, mit dem Täter noch immer auf freiem Fuß und nun nicht akzeptieren kann, dass er sozusagen begnadigt wird. Das Schicksal ihrer Tochter nicht hinnehmend, begiebt sie sich so selbst auf die Suche nach dem Entführer. Ihr Charakter, die Frau Ha-kyung ist hauptsächlich für die emotionalen Momente zuständig, die sehr ergreifend sind und nicht zu stark in Melodramtik abschweifen. Gepaart mit Sang-kyung Kim entstehen die erinnerungswürdigsten Szenen.

Mit zwei Jahren Verspätung feiert nun also das Regie-Debüt von Geun-seop Jeong, der auch das Drehbuch schrieb, hier in Deutschland am 02.05.2015 DVD- und BD-Premiere. Mit seinem ersten Werk hat Jeong so bereits Fuß gefasst und gilt im Auge zu behalten. Mit über 13 Mio US-$ Einspielergebnis und mehrere namhafte Nominierungen, sowie Auszeichnungen zählt es zu den Highlights des südkoreanischen Films.

Fazit

Als Fan von fernöstlichen, oder spezieller südkoreanischen, Thriller oder Dramen wie „Memories of Murder“ oder „Oldboy“ darf man sich diesen Film nicht entgehen lassen. Doch auch jeder andere Liebhaber von düsteren Thrillern mit der besonderen Atmosphäre und einem gut geschriebenem Drehbuch – zum Beispiel „Zodiac“ oder „Prisoners“ – sollte den Film sehen.

Wenn möglich, bitte im Original mit Untertiteln genießen!

* = affiliate-Link / Beitragsbild:(c) EDEL GERMANY GmbH

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