„Mad Max: Fury Road“ Kritik – erstklassiger Endzeit-Punk No. 1

Tobias Ritterskamp 18. Mai 2015 3
„Mad Max: Fury Road“ Kritik – erstklassiger Endzeit-Punk No. 1

Erst studierte George Miller Medizin. Anschließend war er als Unfallarzt tätig, bevor sich das „Mastermind“ vollends dem Film widmete, glücklicherweise. Berühmt wurde er vor allem durch die Mad Max-Trilogie mit Mel Gibson. Während der postapokalyptische und düstere erste Teil von 1979 noch circa 375000 US-Dollar kostete und etwa 100 Mio. US-Dollar einspielte, schöpfte Miller für den vierten Mad Max-Streifen das Budget in Höhe von 150 Mio. US-Dollar komplett aus und präsentiert dem Publikum eine maximale und bis zum Ende andauernde Kakophonie orgasmischer Explosionen. Doch so sehr die mit kinetischer Energie en masse angereicherten Actionsequenzen auch beeindrucken, ja gar die ausschließliche Essenz des Films darstellen, kommt man nicht um die Frage herum, ob denn dieser vierte Teil wirklich sein musste?

Max Rockatansky (Tom Hardy) lebt in einer endlosen Wüstenlandschaft und will nach dem Verlust seiner Familie zur Ruhe kommen. Er glaubt, in der postapokalyptischen Welt alleine besser überleben zu können. Doch dann trifft er auf eine Gruppe fünf flüchtiger junger Frauen, angeführt von der elitären Furiosa (Charlize Theron). Sie sind dem Warlord Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne) entkommen und mit einem Kampfwagen auf der Flucht. Joe trommelt seine Banden zusammen und es beginnt ein gnadenloser Straßenkrieg.

Millers neuestes Werk bietet Action am Fließband. Einmal muss Max als lebendiges Emblem für den Wagen eines der anfänglichen bad guys (Nicholas Hoult) herhalten, nur um dann in einem gigantischen Wüstensandsturm ordentlich durchgeschüttelt zu werden. Ein anderes Mal schwingen er und seine Gegenspieler an langen elastischen Stäben hin und her, zur Bombardierung des Gegners während der Fahrt einerseits und zur Beförderung zahlreicher Personen von A nach B andererseits. Manchmal allerdings wird sich auch einfach nur gegenseitig die Schnauze poliert. Begleitet wird dieses absurde Spektakel von Immortan Joes wilder Trommeltruppe und einem durchgeknallten E-Gitarristen, dessen Instrument zugleich als Flammenwerfer herhält. Nun könnte man meinen, dass die Aneinanderreihung von Actionsequenzen nach kurzer Zeit nur repetitiv und daher langweilig wirkt. Diese Impression stellt sich jedoch nicht ein, denn es kommt zu keinem Zeitpunkt das Gefühl auf, irgendeine Actionszene sei das Produkt von Ideenlosigkeit, die nur unter explosiver Freisetzung kinetischer Energie kompensiert werden könne. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, dass Miller von Anfang bis Ende große Freude an der Inszenierung dieses Spektakels hatte. Der Verzicht auf gehaltvolle Dialoge und präzise Charakterisierungen der Protagonisten ist als Konsequenz einer Welt, in der alle den Verstand verloren haben, einer Welt ohne Hoffnung, Gesetz und Gnade absolut nachvollziehbar, denn jeglicher Versuch auch nur einen Hauch von Anspruch zu suggerieren, wäre Verrat an der Intention des eigenen Werks gewesen. George Miller will den Zuschauern „Endzeit-Punk No.1“ (Haiopei 2015) liefern. Dieser Film ist ein gigantischer Tobsuchtsanfall, der seinesgleichen sucht. Er ist ein actionbeladenes Rockkonzert, bei dem man ausrasten will, ja so richtig Bock hat, mal eine Gitarre zu zerdeppern.

Wenngleich der Streifen nicht von Dialogen lebt, sondern von vergleichsweise realistischer, kaum aus dem Computer stammender Action, so ist Tom Hardy als grummeliger, sprachfauler und doch charismatischer Einzelgänger Max überzeugend. Brillant hingegen ist Charlize Theron als Kämpfernatur Furiosa, die weiß, wie man sich in dieser von Männern dominierten Welt durchsetzt. Präzise schießen, exzellent fahren und keine Schwäche zeigen, auch wenn es manchmal wehtut. Zusammen bilden die beiden ein unbesiegbares Konglomerat von sich über Jahre angestauter Wut, das sich nun endlich entlädt.

Dieser vierte Teil hätte nicht sein müssen. Dennoch ist seine Realisierung kein Fehler, denn Miller beweist, dass erstklassiges und in diesem Falle pragmatisches Blockbusterkino zur Umsetzung realistischer Action in der Lage ist.

Mad Max: Fury Road läuft seit dem 14. Mai in den deutschen Kinos.

Beitragsbild: (c) Warner Bros.

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