The Man who knew Infinity Kritik: Biopic mit Dev Patel

Lida Bach 2. April 2016 0
The Man who knew Infinity Kritik: Biopic mit Dev Patel

Für Formeln hat Regisseur Matt Brown wohl eine Vorliebe. Nicht nur, weil er Robert Kanigels Biographie des Mathematikers Srinivasa Ramanujan verfilmt. Vor allem, weil in seinem selbstverfasstes Drehbuch und seiner Inszenierung die Standardformel für Popcorn-Geschichtskino anwendet. Die Originalität, für die der Titelcharakter (Dev Patel) ständig gepriesen wird, fehlt dem glatten Lebensabriss.

So folgsam wie der 1887 im Indien unter britischer Kolonialherrschaft geborene Ramanujan schließlich für seinen Mentor G. H. Hardy (Jeremy Irons) ermüdende mathematische Beweise errechnet, filmt Brown Szene für Szene die dramaturgische Gleichung für eine Hochglanzbiografie ab. Das Endergebnis ist wie zu erwarten korrekt – im Sinne einer restaurativen Mainstream-Angepasstheit. Nach einer wahren Geschichte fühlt sich der Plot trotz der entsprechenden Texttafel zu Beginn gerade aufgrund der Schematik nicht an. Obwohl die Protagonisten historische Persönlichkeiten abbilden, wirken sie künstlicher als so manche fiktiven Charaktere. Allen voran Ramanujan, der 1913 im damaligen Madras trotz seiner mathematischen Hochbegabung in Armut lebt. Bei dem englischen Eisenbahn-Ingenieur Sir Francis Spring (Stephen Fry) findet Ramanujan zum Glück eine Anstellung, dank der er für seine Frau Janaki (Devika Bhise) und sich ein Haus kaufen kann. Und nicht nur das: Spring kontaktiert den renommierten Oxforder Mathematiker Hardy, der das junge Genie ans Trinity College holt. Janaki, die nur unwissende, ergebene Liebende sein darf, bleibt mit dessen eifersüchtiger Mutter zurück. In England hofft Ramanujan endlich seine mathematischen Werke zu veröffentlichen, denn ihn plagt die Furcht, sein Wissen mit ins Grab zu nehmen. Fast scheint es, als habe er wie Regisseur Brown Kanigels 1991 erschiene Buchvorlage „The Man who knew Inifnity“ gelesen und wüsste: seine Zeit ist knapp.

Kalkulation vor & hinter der Kamera

Doch die College-Kollegen beäugen den Inder skeptisch. Bald kann der als Querdenker unter den steifen Professoren geltende Hardy nur noch mit der Unterstützung seiner Mit-Mathematikern John Littlewood (Toby Jones) und Bertrand Russell (Jeremy Northam) rechnen. Obendrein stört der Erste Weltkrieg wie ein nerviger Zwischenfall Ramanujans akademische Karriere. Derweil wartet die Analphabetin Janaki vor postkartentauglicher Kulisse vergebens auf eine Antwort auf die Briefe, die sie an ihren Gatten schreiben lässt. Während der Mann um höchste epistemologische Weihen ringt, darf die Frau nicht einmal eine Grundschulbildung erwarten. Elend und Unterdrückung romantisiert der Plot ebenso wie die englischen Kolonialherren. Letzte treten als gebildete Mentoren auf und stören sich mehr an Ramanujans Exzentrik als an seiner Herkunft. Dass die echte Janaki mit zehn Jahren vermählt wurde und zu Filmbeginn 15 wäre, wird verschwiegen, ebenso, dass der als liberal idealisierte Hardy keineswegs vorurteilsfrei war. Doch den Regisseur fasziniert offenbar weniger der Mann, der die Unendlichkeit kannte, als der Mann, der den Mann kannte, der die Unendlichkeit kannte. Ständiger Reibungspunkt ist dabei Hardys Atheismus. Ramanujans größte Errungenschaft scheint dann kurioserweise, dass sein Mentor in seiner Intelligenz etwas Quasi-Göttliches sieht.

Die in sentimentalen Bildern beschworene intellektuell, platonische und romantische Hingabe bleibt bloße Behauptung. Eines zumindest lehrt der uninspirierte Kostümfilm: Kinokunst lässt sich nicht berechnen. Was zu beweisen war.

OT: The Man who knew Infinity

Regie: Matt Brown

Produktionsland: Großbritannien

Produktionsjahr: 2015

Verleih: Wild Bunch Germany

Länge: 109 min.

Kinostart: 12. Mai 2016

Beitragsbild © Wild Bunch Germany

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