A Silent Voice Kritik: Klares Statement gegen Mobbing

Mirjam Maier 15. April 2018 0
A Silent Voice Kritik: Klares Statement gegen Mobbing

Es ist die Entscheidung des Opfers, wann die Grenze zu Mobbing überschritten ist. Die gehörlose Shoko Nishimiya zieht die Reißleine nach ein paar Monaten und verlässt die Schule – mit Folgen für den Anstifter Shoya Ishida.

Mobbing ist in keinem Fall tolerierbar. Noch schlimmer erscheint es, wenn jemand aufgrund einer Behinderung Opfer von Mobbing wird und sich dagegen kaum zur Wehr setzen kann. So ergeht es dem gehörlosen Mädchen Shoko in dem japanischen Animationsfilm A Silent Voice des Studios Kyoto Animation. Mitten im Schuljahr wechselt Shoko die Grundschule und ihre neuen Mitschüler staunen nicht schlecht, als sie von ihrer Gehörlosigkeit erfahren. Die anfängliche Neugier und Hilfsbereitschaft hält jedoch nicht lange an. Die Kommunikationsschwierigkeiten werden schnell zu einer Last und stören die eingespielte Klassengemeinschaft. Zunächst wird sich mittels eines Notizheftes verständigt, dann sollen die Schüler – zum Verdruss einiger – Gebärdensprache lernen. Der Junge Shoya – zunehmend genervt davon, dass die Dynamik der Klasse aus den Fugen gerät und dass Shoko ein Gefühl in ihm auslöst, was er nicht zuordnen kann oder will – beginnt, zur Belustigung aller, Shoko zu hänseln, was mit einem Dutzend kaputter Hörgeräte endet. Erst als Shoko daraufhin die Schule verlässt, werden Rektor und Lehrer aktiv. Als Schuldiger steht Shoya schnell allein da, denn niemand sonst will Verantwortung dafür übernehmen, selbst beteiligt gewesen zu sein oder es nicht unterbunden zu haben. Die Bestrafung der Mitschüler folgt auf dem Fuße: Shoya wird die gleiche Behandlung wie Shoko zuteil.

Hier macht der Film einen Zeitsprung bis zur Mittelschule. Die Klassengemeinschaft hat sich aufgelöst wie Shoyas ganze Freundschaften. Schuldgefühle und Selbstmordgedanken plagen ihn. In die Gesichter seiner Mitschüler kann er nicht mehr blicken. Er isoliert sich von den anderen; ein antrainiertes Verhalten, ein Schutzmechanismus – das Resultat aus Mobbingerfahrungen. Den lauten und aufmüpfigen Shoya gibt es nicht mehr. Doch er trifft die mutige Entscheidung, Shoko wiederzusehen, hat sogar Gebärdensprache gelernt – so beginnen sich die Dinge zu ändern. Nach und nach treten die Menschen, die damals hauptsächlich an den Vorfällen mit Shoko beteiligt waren, wieder in Shoyas und Shokos Leben – jeder mit seiner eigenen Sicht auf die Ereignisse und jeder von ihnen kommt zu Wort. Das treibt Shoko zu einer schwerwiegenden Entscheidung.

Die Regisseurin Naoko Yamada adaptiert Yoshitoki Oimas Manga-Serie feinfühlig und ausdrucksstark. Dabei sind zwei Stunden Spielzeit eine angemessene Länge für den Film, leider wird diese nicht an den richtigen Stellen ausgenutzt. Das Mobbing und somit das Ereignis, das grundlegend für die Geschichte und ihre Protagonisten ist, wird als einführende Episode zu schnell abgehandelt, eine emotionale Bindung an die Charaktere dadurch erschwert. Andere Szenen werden dafür in die Länge gezogen und manche Momente wirken etwas überzogen, als wolle man den Rezipienten mit allen Mitteln in die Realität der Charaktere zerren, ohne zuvor die nötige Vorarbeit geleistet zu haben. A Silent Voice macht aber vieles richtig – nicht umsonst hat der Film einige Auszeichnungen eingeheimst und ist einer der erfolgreichsten japanischen Animationsfilme des Jahres 2016. Wie eine Mobbingerfahrung ein ganzes Leben lang prägen kann, bringt der Film auf den Punkt. Shoyas Erkenntnis, das einmal aufgeladene Schuld nicht bedeutet, nie wieder fröhlich sein zu dürfen, ist rührend, und der Umstand, dass die Sicht des Täters, der selbst zum Opfer wurde, gewählt wird, ist spannend und macht deutlich, dass Gleiches mit Gleichem zu vergelten, die falsche Lösung ist – Kommunikation ist der Schlüssel.

A Silent Voice ist seit dem 16. März 2018 auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Beitragsbild (c) KAZÉ Anime

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