Spielball der Macht: Kritik zu Christoph Hochhäuslers Thriller „Die Lügen der Sieger“ (2014)

Nadine Emmerich 18. November 2015 0
Spielball der Macht: Kritik zu Christoph Hochhäuslers Thriller „Die Lügen der Sieger“ (2014)

Schaut man als Journalist einen Film über einen fremden Redaktionsalltag, ist das oft erst befremdlich – weil scheinbar realitätsfern. So ist es auch der Fall mit Christoph Hochhäuslers „Die Lügen der Sieger“, in dem Florian David Fitz als Investigativreporter Fabian Groys mit Praktikantin Nadja (Lilith Stangenberg) erst einen möglichen Bundeswehrskandal, dann eine mutmaßliche Giftmüllaffäre recherchiert. Hat man die Klischees abgehakt, verfolgt man aber einen spannenden und ästhetisch astreinen Politthriller mit vielen aktuellen Bezügen. Das Drehbuch schrieb Hochhäusler erneut mit Ulrich Peltzer, dem Autor großer Gegenwartsromane („Das bessere Leben“).

Hauptfigur Groys ist vor allem eins: cool. In der Redaktion seines Nachrichtenmagazins spielt er den Porsche fahrenden Einzelgänger, nachts verzockt er sein Geld in illegalen Kellercasinos. Mit der nächsten heißen Story läuft es gerade nicht rund, der Informant springt ab. Auf die Zusammenarbeit mit Praktikantin Nadja hat Groys auch keinen Bock, so dass er ihr aufdrückt, dem Aufmacher eines Boulevardblatts nachzugehen: Mann stirbt nach Sprung ins Löwengehege des Gelsenkirchener Zoos.

Und plötzlich ist sie da, die Titelgeschichte, denn eins scheint mit dem anderen zusammenzuhängen. Der Selbstmörder, Mitarbeiter einer zwielichtigen Recyclingfirma, war ein verstörter Afghanistanveteran. Einer von denen, die die Bundeswehr nach Vermutung Groys diskret entsorgen will – als Malocher im Giftmüll. Hochhäusler zeigt in seinem düsteren Thriller ein trotz gläserner Büros nicht leicht durchschaubares und komplexes Geflecht aus Strippenziehern – Lobbyisten, Politikern, PR-Leuten: Wer will was, wer operiert mit welchen Tricks, wer mit oder gegen wen – und wer überwacht wen?

Macht und Manipulation

Der Schweizer Filmemacher David Bernet hat mit seinem jüngst in den Kinos angelaufenen Dokumentarfilm „Democracy – Im Rausch der Daten“ das Ringen um ein neues europäisches Datenschutzgesetz in Brüssel auf die Leinwand gebracht. Einer der verstörenden Aspekte seines Films ist auch das Ausmaß des Lobbyismus: Die verschiedensten Wirtschafts- und Interessensvertreter geben sich bei den Brüsseler Politikern sprichwörtlich die Klinke in die Hand.

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Hat man einige von Bernets realen Bildern im Kopf, verliert auch die Darstellung der Lobbyisten- und Politzirkel in „Die Lügen der Sieger“ an Klischeehaftigkeit. Hochhäuslers fiktive Geschichte ist mit Blick auf die Frage, wer die Macht über Wahrheit und Manipulation und das letzte Wort in Sachen Deutungshoheit hat, aber viel bedrohlicher. Für seine den Mächtigen kritisch auf die Finger blicken wollende Journaille wird es immer schwerer, den Überblick zu behalten – oder erst zu bekommen.

Manchmal geht die Spannung indes ein wenig flöten, weil Stangenbergs Spiel etwas hölzern wirkt – und sich der lässige Reporter und die ehrgeizige Praktikantin in ihren Dialogen leicht krampfig die Bälle hin und her werfen. Wie ein Match wirken die beiden auf jeden Fall nicht – und so scheint auch Nadjas eher unvermittelt startende Affäre mit Groys konstruiert. Und wenn sich schlussendlich der Filmtitel ganz explizit erklärt, darf dem Zuschauer auch ein wenig bang um die Glaubwürdigkeit des investigativen Journalismus werden – zumindest so wie er in diesem Film auftritt.

Spielball der Macht: Kritik zu Christoph Hochhäuslers Thriller „Die Lügen der Sieger“ (2014)

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