Schmerz, Schuldgefühle, quälende Ungewissheit: Nachzuvollziehende Emotionen, die entstehen, wenn das Kind aus der Obhut heraus, während eines kurzen Augenblicks oder einer längeren Abwesenheit, verschwindet. Dieses Schicksal und solche damit einhergehenden Gefühle vereinen zwei Männer, während die verursachenden Vorkommnisse sie zeitlich 50 Jahre trennen.
Polizeioffizier Tom Adkins Sr., dargestellt durch Jon Hamm, sucht seinen Sohn schon acht Jahre, ehe eines Tages in der Nähe einer Baustelle eine Kiste gefunden wird, die einen verwesten Kinderleichnam enthält. In der Kiste befindet sich ein Gegenstand, der seinem Sohn Tommy gehört hat. Wie festgestellt wird, handelt es sich jedoch nicht um seinen Sohn, sondern um ein Kind, das in etwa gleichem Alter umgekommen, aber schon seit den Fünfzigern dort vergraben sein muss. Zudem wird durch eine Untersuchung erkannt, dass eine mentale Einschränkung vorgelegen haben muss. Die Hoffnung seinen Sohn gefunden zu haben, wird zwar zerschlagen, aber er bearbeitet den Fall. Eine Verbindung zu dem Verschwinden seines Sohnes scheint nun greifbar. Seine Frau Barbara, gespielt von Rhona Mitra, die man leider in zu wenigen Filmen sieht, und er, verarbeiten das Geschehene unterschiedlich. Das Unglück verbindet, trennt sie aber auch zeitgleich, scheint jedoch beide immer fest im Griff zu halten.
Die Aufarbeitung des Mysteriums – das Verschwinden von Tommy – im Mysterium (der Tod eines anderen Kindes) wird aus der Gegenwart durch die Nachforschungen des Polizisten nach hinten aufgerollt. Das Passierte wird aber auch in der Vergangenheit „vorwärts“ erzählt, bis die Momente der Wahrheit gefunden werden. Es ist ein sehr tragfähiges und spannendes Konzept für einen Film und wird hier mit einigen Abstrichen sehr gut umgesetzt.
Die Stärke von Stolen Lives wird vor allem aus der Erzählung und der bzw. den Darstellung(-en) in den Fünfzigern gezogen, da hier die Wurzel allen Übels zu liegen scheint. Matthew Wakefield verliert seinen Sohn ebenfalls. Nach einem vorherigen schweren Schicksalsschlag scheint er ein gebrochener Mann zu sein. Während der verschiedenen Phasen und Erlebnisse überzeugt der Schauspieler Josh Lucas in der Darstellung des Vaters und projiziert die Figur in unterschiedlichen Färbungen als zerbrechlichen Menschen, der trotzdem Stärke ausstrahlt, auf die Leinwand. Die in der Vergangenheit liegenden Szenen werden in Sepia-Tönung dargestellt und überflügeln dem Gefühl nach zeitlich den Teil im Hier und Jetzt – das gilt auch durch die gerade dargestellten Gründe für die Fähigkeit, das Interesse des Zuschauers einzunehmen. Während der Vergangenheitsteil emotionale Entwicklungen aufzeigt, wirkt der Gegenwartsteil in dieser Hinsicht tendenziell statischer. Wir sehen, wie sich Barbara und ihr Mann verhalten, lernen aber nicht kennen, wie es zu diesen Gefühlslagen kam oder wie sie sich entwickelten. Der Film verliert immer ein bisschen Intensität, sobald nach der ersten großen Rückblende in die Vergangenheit wieder in die Gegenwart gesprungen wird.
Unrealistisch fühlt sich die Darstellung des Sohnes und das von vielen Personen, denen Matthew begegnet, nach einigen Sekunden festgestellte „Anderssein“ an, da der Sprössling im Gegensatz zu seinen beiden älteren Brüdern noch sehr jung ist. An den Äußerungen des jungen John konnte ich teilweise nichts „Besonderes“, schon gar keine Behinderung erkennen. Sobald klar ist, wer der Täter ist, verliert der Film einiges an Spannung und der Erzählstrang in der Vergangenheit wird zwangsläufig aufgegeben. Das Finale und die Auflösung im Angesicht Tom Adkins Sr. scheinen mir sehr klischeehaft und für die bis zu diesem Punkt aufgebaute, teilweise vielschichtige Story als zu einfach. Dazu das Stichwort: „Das hatte ich doch gar nicht erwähnt“ – Krimifans wissen vielleicht, was ich meine.
Fazit
Mit einer spannenden, und bis zu einem gewissen Punkt unvorhersehbaren Geschichte mit immer wieder neuen Aspekten und Entwicklungen versteht es Stolen Lives – Tödliche Augenblicke, den Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Die beiden Erzählstränge sind jedoch nicht gleich stark in ihrer Fähigkeit ausgeprägt, den Betrachter zu involvieren. Zudem ist das Ende etwas enttäuschend, was dem äußerst positiven Gesamtbild aber nicht allzusehr schadet.