Dokumentation: Pussy versus Putin (2013)

Florian Erbach 14. Dezember 2013 0
Dokumentation: Pussy versus Putin (2013)

Zwei Jahre Arbeitslager für Nadeschda Tolokonnikowa, Jekaterina Samuzewitsch und Marija Aljochina hieß das Urteil in erster Instanz. Während Samuzewitsch in zweiter Instanz zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, wurden die Urteile für die anderen beiden Mitglieder von Pussy Riot bestätigt.

Eigentlich immer noch unglaublich, wenn man bedenkt, für was die Mitglieder von Pussy Riot hier eigentlich angeklagt wurden und welche Strafe sie dafür bekommen haben. Etwas, was mich auch heute noch wütend macht. Umso aufwühlender ist die preisgekrönte Dokumentation Pussy versus Putin, die im Gegensatz zu der von HBO finanzierten Dokumentation Pussy Riot A Punk Prayer, einen tieferen, ungefilterten Einblick in die Gruppe, aber auch in die Absurdität der russischen Strafbehörden ermöglicht und außerdem die krude Sichtweise der radikalen orthodoxen Christen offenlegt.

Als im März 2012 die Mitglieder der Pussy Riot Gruppe durch ihre Kunstaktion in der Christ-Erlöser-Kathedrale und Verhaftung für großes Aufsehen sorgten, war das nicht erste Aktion dieser Art. Alle Mitglieder sind mehr oder weniger schon vorher im Kunstaktivismus tätig gewesen und haben an verschiedenen Protestaktionen mitgewirkt. Immer war es das Ziel, die Menschen um sie herum aufzuwecken und auf die Missstände des „Putinregimes“ aufmerksam zu machen.

Hands Up For Pussy Riot

pussy-versus-putinDie Volksbühne in Berlin, Mitte Dezember 2013, sollte die Bühne für Pussy Riot im Geiste und für alle jene sein, die mit der Gruppe sympathisieren und das Urteil als ungerecht empfinden. Gleich zu Beginn der Veranstaltung wurde deutlich, dass im Zuge der Verurteilung und der Medienberichte, nicht nur das Ansehen von Russland schaden genommen hat, sondern dass auch Pussy Riot als Gruppe nicht unbeschadet aus der Sache herausgingen. Abgesehen von dem sehr harten Urteil, hat sich ein Mitglied von der Gruppe entfernt und ist unter anderem gegen die Vorführung des Films – mit Verweis auf ihre Persönlichkeitsrechte – vorgegangen.

So wurden kurzerhand Aufnahmen und Statements der betreffenden Person in dem knapp 60-minütigen Film geschwärzt oder verzerrt. Gerade am Anfang des Films kam es zu vielen Szenen, in denen einfach nur eine schwarze Leinwand zu sehen war. Erste Pfiffe kamen aus dem Publikum und es wurde etwas tumultartig. Unverständnis machte sich breit, da zu Beginn der Veranstaltung nicht kommuniziert wurde, wieso die Stellen geschwärzt wurden. Zum Glück pegelte sich der Anteil der geschwärzten Stellen sehr schnell ein, sodass man die Dokumentation nach anfänglicher Irritation gut schauen konnte.

Pussy Riot ist Kunstaktivismus

Pussy versus Putin ist keine klassische Dokumentation in dem Sinne, als dass wir Bilder sehen und diese aus dem Off kommentiert werden. Die Dokumentation ist vielmehr im Found-Footage-Stil gedreht und verzichtet auf jedweden Kommentar. Dies ermöglicht es dem Zuschauer hautnah dabei zu sein und ein Gefühl dafür zubekommen, wie es ist abgeführt zu werden oder aus einer engen Zelle heraus mit einem russischen Beamten zu diskutieren. Fast ohnmächtig wird man Zeuge von Repressalien und man möchte selber aufstehen und Solidarität bekunden.

Die Dokumentation Pussy versus Putin zeigt durch Aufnahmen sehr eindrucksvoll, dass Protest kreativ und bunt sein kann. Einige der gezeigten Szenen, wie zum Beispiel die Aktion auf dem Bus, wo mit Kissenfedern um sich geworfen wurde und ein Lied gegen Putin angestimmt wurde, sind durchaus schon bekannt gewesen. Doch auch viele neue und unbekannte Szene sind dabei, die wohl auch in den Reihen von Pussy Riot nicht unbedingt komplett auf Begeisterung gestoßen sind, wie die geschwärzten Stellen belegen. Sicherlich ist gerade das Material, welche in den Gefängniszellen gedreht wurde oder die Szenen ohne Maske problematisch, gerade wenn man sich nicht sicher sein kann, welche Maßnahmen sich Putin und seine Anhänger noch ausdenken.

Pussy Riot protest at the Kremlin in Moscow.

Am eindrucksvollsten empfand ich die Aufnahmen, die aus der Basilus-Kathedrale heraus, mit Blick auf den Richtplatz auf dem Roten Platz entstanden sind. Zunächst fühlen wir uns in einer klassischen Touristenaufnahme gefangen, hier und dort nette Reliquien, ehe die Kamera aus dem Fenster der Kathedrale heraus auf den Richtplatz zoomt. Wir werden Zeuge einer Aktion von Pussy Riot, die ausgerechnet auf dem Richtplatz herumspringen und neben bunten Bengalos ihre bekannten Sprüche singen. Dabei setzt fast gleichzeitig in der Basilus-Kathedrale ein Gesang ein und man fühlt sich nun komplett in einer surrealen Situation. Zwei Polizeiautos lassen nicht lange auf sich warten und die Aktion findet, so plötzlich wie sie begann, auch wieder ihr Ende.

Friedlicher Protest provoziert Gewalt

What are they doing with my country? Explain me! What is it? Christiany? It is the Inquisition!

Deutlich wurde mit der Dokumentation auch, dass der Kunstprotest, der Aktivismus, das Aufbegehren von Pussy Riot und ihren Anhängern gegen Missstände, immer friedlicher Natur ist. Das ist ein wesentlicher Punkt, wenn man sich mit den Aktionen von Pussy Riot auseinandersetzt und sich dann anschaut, was für Gegenmaßnahmen sie teilweise provoziert haben. Muss eine Gesellschaft, eine Regierung nicht gewaltlosen Protest aushalten können? Gerade die Szenen mit den aggressiven und teilweise gewalttätigen orthodoxen Christen sind verstörend und machen wütend. Da ist ein Mann, der wie im Wahn die Anhänger mit Weihwasser bespritzt noch das Harmloseste. „Rowdytum“ und Ströung der öffentlichen Ordnung schön und gut. Aber zwei Jahre Arbeitslager?

Ich verstehe durchaus, wenn sich Menschen durch ihre Aktionen provoziert fühlen. Gerade auch die Aktion in der Christ-Erlöser-Kathedrale ist sicherlich nicht unproblematisch, jedoch muss man sich hier ganz klar anschauen, was konkret gemacht wurde und was für ein Urteil sie bekommen haben. Es wurden nie Menschen verletzt, angegangen oder ein großer Sachschaden verursacht. Pussy Riot sind einfach unbequem, laut, schrill, bunt und gefallen nicht jedem.

Fazit

Pussy versus Putin (2013) ist eine sehr interessante und eindrucksvolle Dokumentation. Nicht unbedingt, weil sie filmisch so gut ist oder das Material eine Augenweide ist, sondern vielmehr, weil die Dokumentation den Horizont erweitert und zum Nachdenken anregt. Gerade diese unscharfen und wackligen Aufnahmen sind es, die einen bei den Aktionen teilhaben lässt. Auch die verschiedenen Perspektiven sind es, sei aus der tobenden Menge heraus oder aus weiter Entfernung, die die Dokumentation zu etwas Besonderem machen. Politisch interessierte erhalten mit Pussy versus Putin einen guten Einblick in die Zeit vor und nach der Aktion in der Christ-Erlöser-Kathedrale. Sehenswert!

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