Son of a Gun kommt wie eine unkonventionelle aber nicht minder oft verfilmte Inside-Out-Sushi-Rolle des Gangster-/Thriller-/Raub-/Gefängnisfilms daher. Protagonisten treffen erst im – hier australischen – Zellentrakt aufeinander, um danach außerhalb derselbigen weitere kriminelle Eskapaden zu durchleben.
Für seinen ersten Vollzeitspielfilm erzählt Regisseur und Haupt-Drehbuchautor Julius Avery die Geschichte des jungen, anpassungsfähigen JR. Dieser wird vom aufstrebenden Jungschauspieler Brenton Thwaites verkörpert, der seine neugierige und rehäugig-scheue Präsenz bereits in anderen Filmen markiert hat. Der Zuschauer weiß recht wenig Faktisches über seinen Charakter und wird ihn im Laufe des Films eher über seine Aktionen und Reaktionen kennenlernen. Aufgrund seiner nur auf sechs Monate beschränkten Erstlingshaft ist aber darauf zu schließen, dass er noch nicht viele Kerben im Holz hat. Dieser Frischling trifft auf den beinharten Ganoven-Veteranen Brendan Lynch, der vom nicht minder unerfahrenen Ewan McGregor dargestellt wird. Mit seiner aufrichtigen Präsenz und dem gerade-starren Blick kommt seine von ihm gemimte Figur wie ein grauer, nicht immer voll einzuschätzender Fleck auf dem ihm eigenen gesunden Menschenverstand daher. JR geht im Gefängnis einen Handel mit diesem Teufel ein, der ihn zwar vor Qualen innerhalb des Zellenblocks bewahrt, aber gleichzeitig nach der Befreiung von Brendan (die ebenfalls Teil des Deals ist) vielleicht zu verzehren droht.
Akustisch-optisch macht der Film vor allem in diesem ersten Gefängnis-Akt einen exzellenten Eindruck. In der Filmindustrie mittlerweile inflationär genutzte Slow-Motion Technik wird mit einer dicken musikalischen Decke belegt, um Schlüsselmomente zu unterstreichen und erhöhte Aufmerksamkeit der Charaktere („heightened observation“, wie z. B. auch bei den Point of View-Shots in Taxi Driver von Martin Scorsese) anzuzeigen. Was zum Anfang auch das Innenleben der Charaktere nach außen kehren soll, wird später leicht zum bloßen Stilmittel. Gleichzeitig heißt das, dass sich der Gebrauch dieses Effekts irgendwann abnutzt. Denn parallel zu dieser Entwicklung (oder gerade dadurch akzentuiert) dringt der Film im weiteren Verlauf in sehr bekannte inhaltliche Fahrgewässer vor.
Die damit in Verbindung stehenden, genre-bekannten Rezepte sollen Spannung aufbauen und beinhalten unter anderem folgende Zutaten: JR beginnt eine zunächst zarte Liaison mit Tasha (Alicia Vikander), was dem Naschen der verbotenen Frucht gleichkommt, da sie „Eigentum“ des Alpha-Männchens ist, für das JR und Brendan – kaum aus dem Gefängnis an der frischen Luft – einen millionenschweren Goldraub durchziehen. Verrat und Lügen lauern hinter jeder Ecke und fast jeder menschlichen Fassade. Der angehende große Coup will gründlich geplant sein, deshalb müssen passende Crew-Mitglieder rekrutiert werden: Mein Raub, mein Auto, mein Fahrer. Dass sich nicht alle Beteiligten grün und/oder erfahren sind, widerspricht dagegen eher cleanen Heist-Klassikern wie der Ocean´s-Reihe („Heist“ – Raub). Gerade dieses Story-Element wirkt im Umfeld hoch prekärer und riskanter Coups doch etwas gezwungen. Jedoch wäre durch eine tiefergehende Ergründung besonders des Verhältnisses JR – Brendan diese Konstellation ein Stück weit erklärbar gewesen und logisch integrierbarer geworden.
Denn die Action und Inszenierung des Überfalls inklusive kleinerer Spannungsbögen ist gut und routiniert umgesetzt worden, keine Frage. Aber die kurzen, dadurch vermittelten intensiven Adrenalinstöße sind nicht das, wodurch sich Son of A Gun von anderen Genre-Vertretern (auch aufgrund des überschaubaren Budgets) abhebt oder abheben sollte. Das Kern- und Meisterstück wäre gewesen, über die Auslotung der Verhältnisse der Rollen die Action erklärbar zu machen oder diese in Charakterbeziehungen zu erden, nicht andersherum. Hier hätte der Film besonders im Abhängigkeitsverhältnis von JR zu Brendan und durch eine nähere Beleuchtung vor allem des Letzteren einen homogenen Ansatzpunkt geboten. Zwar nimmt sich Son of a Gun Zeit, ihre Beziehung darzustellen, geht aber keine zu weiten Strecken, zu ergründen, warum etwa Brendan JR so lange an sich bindet. JR ist zwar ein kluger Kopf und noch formbar, aber gleichzeitig eine offensichtliche Gefahr für Brendan und seine illegalen Unternehmungen. Ihr „Handel“ hätte auch schon durch ihr erstes Geschäft abgeschlossen sein können. Den Interaktionen zwischen beiden fehlt es an Spuren von Gewicht und Direktheit. Sie treiben zumeist nebeneinander, tragen aber ihre Spannungen gefühlt selten und wahrhaftig miteinander aus.
Bei Son of a Gun handelt es sich somit um einen unterhaltsamen Vertreter des Heist-Films, dessen Stoff gleichzeitig Potenzial gehabt hätte, einen charakterorientierten und – im vorliegenden Fall – besser geeigneten Zugang zum Genre zu finden. Nichtsdestotrotz bietet der Film gute Kost insbesondere für Genre-Fans.
Son of a Gun, mit Brenton Thwaites und Ewan McGregor in den Hauptrollen, ist seit dem 14. April auf Blu-ray und DVD erhältlich.
*affiliate-Link / Beitragsbild und Trailer: (c) Hopscotch