Still The Water (2014): Kritik zum Jugenddrama aus Japan

Mandy Passehl 31. Juli 2015 0
Still The Water (2014): Kritik zum Jugenddrama aus Japan

Still The Water, oder im Original Futatsume no mado „Das Zweite Fenster“, erzählt die Geschichte von Kyôko und Kaito, die erwachsen werden, sich aber doch gleichzeitig noch nicht ganz von der Sicherheit ihrer Kindheit lösen möchten.

Naomi Kawase, die japanische Drehbuchautorin und Regisseurin des Filmes, widmet sich in ihrem neuesten Werk dem Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenalter. Eine Zeit, in der wir uns ausprobieren möchten, Liebe erfahren und neue Dinge entdecken wollen. Es ist aber auch die Zeit, in der wir uns von unseren Eltern lösen und uns bewusst werden, dass das Leben nicht stillsteht. Unsere Zeit auf dieser Welt ist begrenzt. Dies wird gleich zu Beginn des Filmes deutlich. In der Eingangsszene schneidet ein alter Fischermann einer Ziege die Halsschlagader durch und lässt das Tier ausbluten. Kawase macht hier keinen Schnitt sondern zeigt detailliert, wie der Ziege das Leben entrinnt. Zart besaitete Zuschauer sollten hier definitiv die Augen schließen. Ist das aber einmal überstanden, können wir uns den Bewohnern der Amami-Insel, insbesondere Kyôko (Jun Yoshinaga) und Kaito (Nijirô Murakami) zuwenden.

Kaito ist 16 Jahre alt und lebt alleine mit seiner Mutter. Seine Eltern haben sich scheiden lassen und er leidet immer noch sehr darunter. Vor allem auch, weil sein Vater meilenweit entfernt in Tôkyô als Tattooartist arbeitet. Von seiner Mutter auf der kleinen Insel hat er sich längst distanziert, obwohl sie sichtlich versucht, ihm eine gute Mutter zu sein. Kyôko hingegen hat ein sehr inniges Verhältnis zu ihren Eltern. Dies zeigt sich auch in dem Charakter der 15-Jährigen: Sie ist offener, freundlicher und selbstsicherer als Kaito und scheut sich nicht, ihm ihre Liebe zu gestehen und ihn direkt zu fragen, ob er sie auch liebt. Kaito jedoch scheint noch nicht recht zu wissen, was er von der aufkeimenden Beziehung mit Kyôko halten soll.

Als sich Kaito und Kyôko eines Abends am Meer treffen möchten, entdeckt Kaito an der Küste treibend die Leiche eines jungen Mannes und rennt panisch davon. Kyôko, die in der Nähe schon auf ihn gewartet hat, sieht, wie er davonläuft und entdeckt kurz darauf ebenfalls den Toten. Sie dagegen bleibt aber ruhig und versucht, zu verstehen, warum Kaito so intensiv auf den Fund reagiert hat. Kennt er den Toten vielleicht sogar? Doch sie hat kaum Zeit, sich damit zu länger beschäftigen. Sie ist in Gedanken zumeist bei ihrer Mutter, die sehr krank ist und im Sterben liegt. Und obwohl die beiden sich in einem Alter befinden, in dem die Liebe das aufregendste ist, müssen sich beide vielmehr mit dem Leben und dem Tod auseinandersetzen – jeder auf seine Weise.

Kawase arbeitet seit 1992 als Filmemacherin und schreibt sämtliche Drehbücher ihrer Filme selbst. Mit ihren Werken überzeugte sie bereits mehrmals bei den Filmfestspielen in Cannes: Suzaku ergatterte 1996 die Goldene Kamera, Der Wald der Trauer erhielt 2007 den Großen Preis der Jury. Still The Water feierte seine Premiere ebenfalls in Cannes, wurde in den Medien aber mitunter sehr unterschiedlich aufgenommen. Und auch mir fiel es anfangs schwer, den Film einzuschätzen. Manche Zuschauer werden stöhnen, wenn die Familie zusammen fragt, ob sie nicht alle sechs Strophen des „Augusttanzes“ singen sollten, manche widerum können dieser Szene wiederum sehr wohl etwas abgewinnen und sind daran interessiert, wie sich Trauer in verschiedenen Kulturen auszeichnen kann. So oder so ist die Szene in der Kyôkos Familie für ihre sterbende Mutter singt, die ergreifendste des gesamten Filmes. Spätestens hier werden Tränen fließen – stellt diese Szene meiner Meinung nach doch den Höhepunkt von Still The Water dar.

Fazit

Kawase hat die Atmosphäre der Amami-Insel perfekt ins Bild gesetzt. Still The Water überzeugt mit seiner wunderbaren Ästethik und den ruhigen Aufnahmen der Natur. Auch die schauspielerische Leistung von Yoshinaga und Murakami ist sehenswert. Jedoch führen manche Dialoge ins Leere und lassen den Zuschauer etwas verwundert zurück. Abgesehen davon ist Kawase´s Werk jedoch ein kleines Filmjuwel und den Gang ins Kino definitiv wert. Fans des etwas berühmteren japanischen Regisseurs Hirokazu Koreeda (Still Walking, Like Father, Like Son) werden auch Still The Water mögen.

Kinostart war der 30. Juli 2015.

(c)Film Kino Text

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