Plötzlich fällt es mir fast wie Schuppen von den Augen. Der Grund, warum ich so gerne südkoreanische Thriller schaue, liegt eben nicht nur in der Art und Weise, wie kompromisslos Geschichten erzählt werden. Ein oft integraler Bestandteil ist, dass ein Setting gewählt wird, bei dem dem Zuschauer nicht klar ist, welche Figuren mit welcher Intention auf ein irrwitziges, manchmal auch surreales „Spiel“ Einfluss nehmen. Anders gesagt, ist es nicht nur der Weg zum Ziel, der den Reiz entfaltet, sondern das Ziel selbst, welches anfangs noch diffus ist. Auch das Drehbuch zu The Target konstruiert eine Ausgangssituation, das wohl wissentlich in Ambiguität verankert wird.
Ein Mann, Yeo-hoon (Ryu Seung-Ryong) flieht des nachts mit einer Schusswunde im Schlepptau vor schwarz gekleideten Schergen mit Pistolen. Dabei wird er angefahren und findet sich bewusslos im Krankenhaus wieder. Nun gibt es mehrere Fragen zu klären. Die drängendste ist sicherlich, ob es sich bei dem Flüchtenden um einen Bösewicht handelt. Die Polizei vermutet, dass er ein Zeuge, gar der Tatverdächtige in einem Mordfall in einem Wohnblock ist. Der behandelnde Arzt und werdende Familienvater Tae-joon (Jin-wook Lee) hat Nachtschicht. Während ein weiterer Anschlag im Krankenhaus auf den muskulösen Unbekannten stattfindet, wird seine schwangere Frau entführt. In einem Anruf wird er von einem weiteren Mr. X erpresst, den bewusstlosen Mann auszuliefern. Andernfalls werde seiner Frau etwas geschehen.
Ein gewisser Clou ist nun, dass sich durch diese Anfangskonstellation ein Thriller entspinnt, dessen (gewaltsame) Handlungen allesamt dem Aktions-Reaktions-Prinzip zugrunde liegen, das dem Vorstoß gegen Freunde und insbesondere Familie folgt. Dieser fast romantische Kern bringt dann aber mehr melodramatische Momente und Dialoge hervor, als dem Film immer gut zu Gesicht stehen. Auch darüber vermittelt wird bei allen Figuren-Einführungen schnell klar, dass Ambiguität einer emotionalen Direkt- und Offenheit gewichen ist. Die Story so wie die Relationen der good zu den bad-guys lassen sich recht schnell entschlüsseln. Moralische Graubereiche existieren eher anfangs und an der Oberfläche. Während dieser Einsicht kam mir die Erkenntnis aus dem ersten Absatz, gewissermaßen aus einer Mangelerscheinung des Films an Ambivalenz heraus.
Während die Intro-Sequenz des Films also recht martialisch-stilisiert daherkommt – ein gezeichneter Blutregen und Gesichter in verfremdeten Farben – ist es dann nicht eben dieser eine Stil, der den Film prägt. Gewalltätige Elemente brechen an die Oberfläche, so dass es nicht zum Stilbruch mit südkoreanischen Action- und Thriller-Filmen bzw. dem Vorpann selbst kommt. Insbesondere die Kombination des Hauptbösewichts aus Megalomanie und illegalen Verstrickungen scheint aber selbst für fiktionale Filmkunst stark überzeichnet.
Die Action-Szenen sind hart, gut gemacht sowie eingefangen worden. Totaleinstellungen zeugen von der Wucht des Ganzkörpereinsatzes. In moderatem Tempo geschnittene Szenen nehmen nicht zu viel Dampf weg. Abseits dieser Szenen glänzt beizeiten eine handlungsrahmenorientierte Kamera. Auf der Flucht aus dem Krankenhaus werden beispielsweise dezent Point-of-View-Shots eingesetzt, um Yeo-hoons (mögliche) Paranoia zu visualisieren. Zudem zaubert eine gefühlte Hommage im Schlussakt an einen Terminator-Film ein Lächeln auf das Gesicht des Action-Fans.
Fazit
Routiniert vorgetragene Filmkunst, inklusive passender Darsteller und rauer Kampfeinlagen machen aus The Target einen guten Actionfilm. Während er meiner Meinung nach ein paar melodramatische Momente zu viel besitzt und seine Ambiguität zu schnell aufzudecken ist, hat mit der Film Spaß und Lust auf den nächsten Film aus südkoreanischen Landen gemacht.
Die Blu-ray/DVD ist ab dem 07. August im Handel erhältlich.
Beitragsbild und Video: (c) Weltkino, Universum (Vertrieb) *AffiliateLink