Dunkirk Kritik – „Schritte zurück, aber in die richtige Richtung“

Christoph 22. Juli 2017 0
Dunkirk Kritik – „Schritte zurück, aber in die richtige Richtung“

Die Schlacht von Dünkirchen ist ein noch recht unbeachtetes Kapitel in der Geschichte des 2. Weltkriegs. 1940 greift die deutsche Wehrmacht die Benelux-Staaten und Frankreich an. Die britischen Alliierten unterstützen die dortigen Verbündeten auf dem Festland mit einer 400.000 Soldaten starken British Expedition Force. Zu mächtig sind jedoch die deutschen Panzerdivisionen und die Briten stehen mit dem Rücken zum Ärmelkanal einer übermächtigen Kriegsmaschinerie gegenüber. Die englische Heimat ist – gefühlt – nur ein Steinwurf entfernt, jedoch ist die deutsche Luftwaffe grausam effektiv und versenkt dutzende Transportschiffe die, die britischen Soldaten zum größten Rückzugsmanöver in der britischen Geschichte unterstützen soll.

Christopher Nolan (Meisterregisseur von u.a. Inception, Memento und Interstellar) hat sich wieder einer Herausforderung gestellt.  Ob das Thema ihn gefunden hat oder ob er sich selbst beweisen wollte, dass er nicht nur dem Science-Fiction-Genre eine realitätsnahe Wucht verleihen kann, sei dahingestellt. Kriegsfilme gelten in der Regel nicht gerade als Kassenmagnet und weisen eine Vielzahl an filmischen Meilensteinen auf, die jede Perspektive bereits vor die Linsen genommen haben.
Wirklich jede?

Die aktuellen Filmproduktionen, in denen Schauspieler vor grünen Leinwänden mit Tennisbällen reden sind fest in den heutigen Kinocharts verankert. Filme aus dem Marvel-Universum und anderen Multimillionen-Dollar-Filmreihen entstehen zum größten Teil an den Computern vieler Grafiker, rund um die Uhr. Animierte Filmszenen werden von einer Zeitzone zur nächsten gereicht, damit der immense  Arbeitsaufwand erbracht werden kann. Nolan ist wie eine natürliche Gegenreaktion auf diese Art von Filmproduktion. Ein genaues Bild für die Realität und dem Drang eine Geschichte nicht linear zu erzählen sind seine Grundelemente. Seine Filme fordern den Zuschauer heraus, anstatt zu gefallen.

Dunkirk geht jedoch über eine erzählerische Herausforderung weit hinaus. Es ist keine Kriegsdokumentation, kein Bericht eines Veteranen und auch kein Unterhaltungsfilm. Es ist ein Erlebnis, eine Naturgewalt, der Krieg in all seinem Schrecken und Sinnlosigkeit. Die Effekte haben eine solche Wucht, dass man immer mehr in den Kinosessel gedrückt wird. Diesen hat man aber gedanklich schon längst verlassen und schwimmt mit den Soldaten der Schlacht ums Überleben. Die Hauptfiguren sind leere Hüllen, von der Angst getrieben und vom Wunsch nach Überleben gewärmt. Tom Hardy (wieder mit Maske) als Flugzeugpilot und Mark Rylance als Schiffsführer stellen sich dieser Angst mit einem kompromisslosen Ziel vor Augen entgegen und kommen den Kriegsflüchtenden zur Hilfe.

Die auf 70mm Film laufende Kamera von Hoyte van Hoytema zeigt mit brutaler Intensität die Bilder, die an Schönheit kaum zu übertreffen sind, wäre da nicht der Krieg. Dunkirk zeigt alles ohne viel Blut zu vergießen oder sich Zeitlupen zu bedienen. Es gibt keine Postkartenmotive oder übertriebene Feuerinfernos. Zeitgeschehen werden aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Sie werden ganz unverhohlen in den parallelen Erzählungen wiederholt. Somit verwandelt sich eine sanfte Wasser-Notladung eines Flugzeugs in einen Tsunami für den Piloten und einen Kampf um dessen Leben.

Dunkirk ist ein Film der Perspektive. Er zeigt sie schonungslos und ohne Wertung, jedoch reich an Emotionen. Außerhalb des Kinosaals hat sich zu viel Bequemlichkeit und Distanz entwickelt. Menschen die vor dem Krieg fliehen sind heute zur Alltäglichkeit geworden.

Christopher Nolan, bitte hör niemals auf, an das Kino und seine Macht zu glauben! Wir werden dir vertrauen und deinen Filmen folgen.  

P.S. Wer die Möglichkeit hat, sollte Dunkirk im IMAX mit Laserprojektion oder – noch viel besser – auf lebendigen 70mm Film erleben. Kinostart ist der 27. Juli. 2017

Der Trailer zu DUNKIRK:

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Dunkirk Kritik – „Schritte zurück, aber in die richtige Richtung“

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