Gotham Staffel 1 Kritik: Was GOTHAM besser macht als die Agents of SHIELD

Thomas Neumeier 19. März 2015 5
Gotham Staffel 1 Kritik: Was GOTHAM besser macht als die Agents of SHIELD

Ich erkenne allmählich ein Muster: Je skeptischer ich einer Serie gegenüberstehe, desto wuchtiger haut sie mich nachher vom Hocker.

Zunächst will ich vorausschicken, dass mich die Serie Marvels Agents of S.H.I.E.L.D von Beginn an gut unterhalten hat. Nichtsdestotrotz hat die Show zugegebenermaßen ein paar Folgen gebraucht, um in Schwung zu kommen. Die erste Staffelhälfte von Season 1 bestand aus Problem-of-the-week-Folgen mit wenigen übergreifenden Handlungselementen. Erst etwa zur Staffelmitte setzte jene Entwicklung ein, die ein paar Folgen später zu einem großartigen Story-Twist geführt haben. Ohne näher auf den Inhalt einzugehen: Die Serie lohnt sich, auch wenn es anfangs nicht so erscheinen mag.

Die DC-Konkurrenz-Serie GOTHAM geht das geschickter an. Die Sogwirkung setzt schon sehr früh ein, und Story-Twists lassen hier nicht lange auf sich warten. Dass es in GOTHAM härter und düsterer zur Sache geht als bei den Agents of SHIELD, soll hier kein Kriterium sein. Nein, GOTHAM schlägt die Agents in anderen Kriterien. Zum Beispiel, weil die Show von Beginn an deutlich runder, will sagen durchdachter, wirkt. Problem-of-the-week-Folgen gibt es keine. Jede Folge ergänzt weitere Facetten und Figuren, die nach und nach ein drastisches Gesamtbild einer durchweg korrupten Stadt ergeben.

Der Cast agiert im höchsten Grade excellent. Jede Rolle, jede(r) Schauspieler(in) überzeugt, und zwar durch die Bank. Ich hatte viele erfreuliche Wiedersehen, zum Beispiel mit David Zayas (Angelo Batista in Dexter) oder John Doman (The Wire, Borgia), die hier neue Seiten von sich zeigen. Nicht weniger überzeugend als die älteren Hasen der Branche sind aber auch die Jungschauspieler, die mitunter jüngere Versionen von Batmans späteren Feinden verkörpern. Die Schauspielerriege spielt durchweg excellent. Tja, und einer spielt geradezu brillant: Robin Lord Taylor, der die Darstellung des tapsigen, oft naiven und absolut rücksichtslosen Soziopathen Pinguin zu einem wahren Fest macht. Es ist ein bizarres Vergnügen, ihm zuzusehen. Taylor ringt sich beeindruckend viel ab, ohne dass seine Figur unglaubwürdig oder overacted wirkt. Für mich das Highlight der Serie, und ich glaube nicht, dass ich mich zu weit aus dem Fenster lehne, wenn ich ihm 2016 Chancen auf einen Emmy einräume.

Die beinharten Storys aus dem Moloch einer korrumpierten Stadt sind dennoch nicht die Essenz der Serie, vielmehr sind es die oft vielschichtigen und wechselhaften Beziehungen der Figuren zu einander: Jim Gordon zu seinen fast durchweg korrupten Kollegen, allen voran zu seinem Partner Harvey Bullock – oder der 12jährige Bruce Wayne zu seinem Familienersatz Alfred. Jim Gorden zum Pinguin, Pinguin zu Fish Mooney und den Mafiapaten, die Mafiapaten zueinander. Jim Gordon zu Barbara, Barbara zu ihrer Ex, ihre Ex zu Gothams Polizeiapparat. Jim Gorden zu Bruce Wayne, Bruce Wayne zu Selina Kyle (der späteren Catwoman). Unerwartet berührend und völlig frei von Kitsch ist vor allem letztere Konstellation. Diese und zahlreiche weitere sorgfältig austangierte Beziehungen (auch von Nebenfiguren) sind die eigentlichen Säulen der Serie, und diese Säulen tragen beeindruckend gut. Um korrupte Kollegen dranzukriegen ist der idealistische Jim Gordon gezwungen, sich mit der Unterwelt einzulassen. All das hat seinen Preis, und ein Sieg heute kann den Niedergang morgen bedeuten. Freundschaft und Rivalität, Pragmatismus und Opportunismus, Liebe und Verachtung, all das liegt oft bedrohlich eng zusammen und verlangt einen (meist faulen) Kompromiss.

Die Serie GOTHAM ist von Beginn an rund und schöpft das Potenzial seiner Figuren voll aus. Eine düstere, in Ansätzen sogar apokalyptische Version eines pervertierten Systems, das einen ziemlich beunruhigen kann, scheint die Realität mancherorts doch nicht so weit davon entfernt. Staunen und Schrecken geben sich die Hand und wissen dabei spannend und wendungsreich zu unterhalten. Schauspielerisch habe ich selten stimmigere und hochwertigere Kost gesehen. Auch das Storytelling lässt wenig Wünsche offen. Ich freue mich auf Künftiges. Da mir nichts einfällt, was diese Serie besser machen könnte, gebe ich der ersten Staffel volle 5 Sterne.

Beitragsbild: (c) FOX

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