„Schneemann“ Kritik: Erste Verfilmung der John Hole-Bücher von Jo Nesbø

Martin Rudolph 31. Oktober 2017 0
„Schneemann“ Kritik: Erste Verfilmung der John Hole-Bücher von Jo Nesbø

Nach Larsson, Mankell, Adler-Olsen erscheint nun die erste Verfilmung eines Romans des norwegischen Autors Jo Nesbø. Sie basiert auf dem siebten Buch der Thriller-Reihe um den Osloer Kriminalbeamten John Hole.

Hole (Michael Fassbender) ist ein heruntergekommener Ermittler einer Eliteeinheit der Polizei. Er schläft schon mal im Park, sein Zigarettenkonsum wird nur noch von seinem Alkoholkonsum übertroffen, seine Freundin Rakel Fauske (Charlotte Gainsbourg) hat sich von ihm getrennt. Einzig sein Ruhm – die Festnahme eines Serienkillers vor vielen Jahren – rettet ihn wiederholt vor dem Rauswurf. Ein neuer Fall holt ihn aus dem Sumpf – eine junge Frau und Mutter ist verschwunden. Bald ergeben ähnliche Fälle den Verdacht auf einen Serienkiller.  Der Täter hinterlässt am Tatort eine „Visitenkarte“ in Form eines Schneemanns und lässt Hole auch kleine Botschaften und Hinweise zukommen.

Seine neue Kollegin Katherine Bratt (Rebecca Ferguson), gerade von Bergen nach Oslo versetzt, stellt eine Verbindung her zu vergleichbaren Fällen, die sich vor langer Zeit dort ereigneten. Das Schema der Morde weist im Verlauf natürlich auf mehrere Verdächtige hin, bietet aber auch unterschiedliche gesellschaftliche Aspekte und Motive. Diese bleiben aber an der Oberfläche, es bleibt ein Krimi und wird nie Gesellschaftskritik.

Wer bei einem Thriller über Serienkiller an drastische Tötungsmethoden denkt, wird nicht überrascht sein. Und wer erwartet, dass Vermisste später als Leiche nicht in einem Stück gefunden werden (oder zumindest deutlich verunstaltet) wird auch nicht enttäuscht. Hier wird Drastisches geboten und Maske und Prothesenherstellung leisten ganze Arbeit.

Die Darstellerleistungen sind allesamt wirklich gut aber Regie und Drehbuch fordern sie auch nicht über die Maßen. Gerade Fassbender und Gainsbourg habe ich schon deutlich intensiver gesehen. Rebecca Ferguson als Holes Kollegin hat den reizvollsten Part, aus ihrer Rolle hätte man aber mehr machen können. J.K Simmons („Whiplash“) ist erwähnenswert als zwielichtiger Tycoon, aber auch seine Rolle bleibt eher plakativ. Die bemerkenswerte Schauspielerriege hilft mit ihrer Qualität dem Film dennoch über manche Schwäche hinweg.

Wirklich erwähnenswert sind Val Kilmers kurze aber starke Auftritte als eigensinniger und abgewrackter Ermittler Gert Rafto. Sie bleiben nachhaltig im Gedächtnis und sind eindrucksvoll in Szene gesetzt. Kilmer schlägt Fassbender in Punkto heruntergekommener Ermittler deutlich (im optischen Vergleich zu ihm wirkt Hole direkt gepflegt). Hier ahnt man, welchen Abgrund Fassbender mit Tiefe und Wucht hätte bieten können…

Regisseur Tomas Alfredson („Dame, König, As, Spion“) und sein Kameramann Dion Beebe („Collateral“) rücken immer wieder die überwältigende Landschaft Norwegens ins Bild – eisige, wuchtige, düstere Weiten. Auch die städtischen Szenen in Oslo und Bergen sind atmosphärisch dicht.

Im Vergleich zum Roman wurde vieles verändert, was zunächst kein Nachteil ist. Ohne zu spoilern – bei über 500 Seiten der Vorlage bedient sich Alfredson nicht nur zahlreicher Rückblenden, er verändert auch die Motive einiger Charaktere, was plausibler wirkt. Auch die Morde sind, nun ja, „attraktiver“…

Einige Nebenlinien und Schauplätze der Handlung hingegen sind unnötig und tragen weder zur Charakterisierung noch zur Spannung bei. Hier hätte man sich beim Schnitt von manchem trennen sollen und die „gewonnene“ Zeit in die Charakterisierung einiger Hauptakteure (besonders von Holes Kollegin Bratt) investieren sollen.     Möglicherweise haben schwierige Produktionsbedingungen diesen unrunden Eindruck mit verursacht. So soll Regisseur Alfredson geäußert haben, dass, nachdem die Finanzierung des Film gesichert war, zu schnell mit den Dreharbeiten begonnen werden musste und insgesamt zu wenig Zeit zur Verfügung stand. Ein Nachdreh fast ein Jahr später wirft auch kein gutes Licht auf die Umstände, unter denen der Film entstanden zu sein scheint. Erstaunlich, da das Projekt seit 2013 entwickelt wurde und zeitweise sogar Martin Scorsese als Regisseur an Bord war (er blieb dann noch als Executive Producer involviert).

Fazit: Natürlich ist nicht jeder Serienkiller-Film ein „Sieben“ und nicht jeder nordische Thriller eine „Verblendung“, aber etwas mehr an Differenziertheit und Tiefe hätte es bei der interessanten Vorlage doch sein dürfen, zumal der Mut zu deutlicher Veränderung und Straffung der Vorlage ja da war.

Kinostart für „Schneemann“ ist der 19. Oktober 2017
2  1/2 Sterne
Regie: Tomas Alfredson
Produktionsländer: Großbritannien, USA, Schweden 2017
Verleih: Universal
FSK 16
119 min
Beitragsbild © Universal Pictures

„Schneemann“ Kritik: Erste Verfilmung der John Hole-Bücher von Jo Nesbø

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