The Babadook: Kritik zum australischen Horrorfilm

Bernhard 7. Mai 2015 2
The Babadook: Kritik zum australischen Horrorfilm

Horrorfilme sind ein sehr eigenes Genre: Die Qualität der Filme reicht von einem Haufen Trash bis hin zu psychologischen Meisterwerken, die Bandbreite ist riesig. Zudem ist es nicht ganz einfach, gut gemachten Horror von billigen Schaueffekten zu unterscheiden, gerade für jemanden, der sich beim Schauen des Films mental nicht von diesem distanzieren kann. So fällt es mir beispielsweise relativ schwer bzw. ist mir kein Vergnügen, psychologische Horrorfilme zu schauen, unabhängig von deren inhaltlicher oder technischer Güte.

Trotzdem habe ich mich an die australische Produktion „The Babadook“ aus dem letzten Jahr herangewagt. Darin verzweifelt eine alleinstehende Mutter über die Wahnvorstellungen ihres Sohnes.

Amelia (Essie Davis) lebt mit ihrem sechsjährigen Sohn Samuel (Noah Wiseman) in einer Doppelhaushälfte in einem Vorort von Adelaide. Da ihr Sohn immer wieder von Monstern träumt, die ihn und seine Mutter bedrohten, und von nichts anderem redet, ist er ein Einzelgänger. Um ihm beim Einschlafen zu helfen, liest Amelia Samuel vor, und Samuel möchte eines Abends aus einem merkwürdigen Buch mit Namen „The Babadook“ vorgelesen bekommen. Es handelt sich dabei um ein Ausklapp-Buch mit Bildern, in dem es um den „Babadook“, eine Art schwarzen Mann, geht. Der Babadook kommt des Nachts ins Haus, und ist er einmal drin, kann man ihn nicht mehr loswerden. Die Lektüre des Buchs verstört Mutter wie Sohn, denn auch wenn die Zeichnungen einem Kinderbuch angemessen sind, ist der Text sehr vieldeutig und bedrohlich, das Buch endet außerdem nach wenigen Seiten abrupt.

Als Samuel eine seiner selbstgebauten Waffen  vor Mitschülern ausprobiert, mit denen er gegen die Monster seiner Träume vorgehen will, nimmt ihn Amelia von der Schule. Ihr Sohn verhält sich immer aggressiver und spricht fast nur noch von dem Babadook, der sie beide töten wollen würde. Seine Albträume nehmen zu, und nachts geschehen unerklärliche Dinge im Haus. Das Buch, von Amelia zerrissen, liegt zusammengeklebt vor dem Haus, überall sieht auch sie nun vermeintliche Zeichen des Ungeheuers. Mit jeder Nacht wird sie aufgrund des Schlafmangels müder, genervter und verändert sich zusehends. Schließlich wendet sie sich sogar gegen Samuel.

Von der Story her erinnert der Film von Regisseurin Jennifer Kent stark an „The Conjuring“ (2013), manche Abschnitte scheinen geradezu übernommen worden zu sein. Trotzdem entwickelt der Film seine ganz eigene, düstere Atmosphäre, und kommt anders als der amerikanische Kassenschlager fast ganz ohne Schockeffekte aus. Das Beklemmende ist, dass in „The Babadook“ nichts eindeutig ist, der Zuschauer weiß nicht, ob es sich bei den Zwischenfällen um das Werk  eines übernatürlichen Dämonen oder die Angstzustände einer überarbeiteten Mutter handelt. Auch beschränkt sich Kent nicht auf die Horrorepisoden, sondern zeichnet ein umfassendes Bild Amelias, einer zutiefst melancholischen Frau, aus der Bahn geworfen vom Tod ihres Mannes vor sechs Jahren, die überhaupt nicht in die oberflächliche Vorstadtidylle Südaustraliens passt. Oft wird Amelia im Porträt gezeigt, mit einem traurigen Lächeln um die Mundwinkel und schläfrigen, abwesenden Augen.

Die atmosphärisch dichten Schauplätze tragen ihren Teil dazu bei, dass es in „The Babadook“ weniger auf die kurzzeitigen Schreckensszenen ankommt, sondern vielmehr eine anhaltende Situation des Verfalls, der dumpfen Angst den Zuschauer erfüllt. Amelia wohnt mit ihrem Sohn in einem Haus mit einer Inneneinrichtung wie aus den Siebziger Jahren, immer wieder des Nachts und des Tages in Standbildern wie anklagend dargestellt. Auch bei ihrer Arbeit in einer Demenzklinik trägt Amelia ein Kleid, das vor Jahrzehnten in Mode war. Die junge Mutter scheint vollkommen aus der Zeit gefallen zu sein.

Bemerkenswert ist auch, dass sich der wahre Horror des Films vor allem auf den charakterlichen Wandel Amelias von einer unscheinbaren, lieben Frau zu einer launischen, unumgänglichen Furie manifestiert. Die Erklärung dafür ist nicht so eindeutig, wie es scheint: Ist der ominöse Babadook daran schuld, oder einfach ihre eigene Unzufriedenheit über ihr Leben und die Eskapaden ihres Sohnes, verstärkt durch einen akuten Schlafmangel?

Anders als beispielsweise in „The Conjuring“, wo der Geist einer Hexe in den Körper der Mutter fährt und alles irgendwie parawissenschaftlich erklärt wird, lässt „The Babadook“ gehörigen Interpretationsspielraum, gerade auch durch das erstaunliche Ende.

„The Babadook“ ist deshalb einer der besten psychologischen Horrorfilme der letzten Jahre, weil er altbewährte Methoden in sehr geringen Maßen nutzt und die Grenze zu anderen Genres überbrückt. Indem er sich mehr auf die Charakterzeichnung der Hauptdarstellerin als auf Spezialeffekte konzentriert, verleiht Kent ihrem Film eine für Horrorfilme ungewöhnliche Tiefe und Vielschichtigkeit, die erfrischt. Für eingefleischte Horrorfans bleibt trotzdem genug Luft, um sich richtig ordentlich zu gruseln.

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