20. Filmfestival Türkei / Deutschland 2015: Gewinner und Politik

Max Christ 31. März 2015 0
20. Filmfestival Türkei / Deutschland 2015: Gewinner und Politik

Das Festival ist vorbei: Viele Zuschauer, ein umfangreiches und vielfältiges Programm von türkischen und deutschen Werken, etliche Schauspieler, Regisseure, Autoren, Gäste. Nun nach einer Woche, nach genug Zeit um alle Empfindungen der zehn spannenden Tagen sacken lassen zu können, ist es Zeit ein Fazit zu ziehen und über die Entscheidungen von Jurys und Publikum zu berichten.

Es waren wichtige Tage, die der Luft Nürnbergs ein künstlerisches Hoch beimischte, aber auch politische Akzente setzte – so sprachen der türkische Generalkonsul Asip Kaya und Claudia Roth, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, unter anderem über Integration, Toleranz und Meinungsfreiheit in den so verschiedenen Ländern. In einer mitreißenden Rede, ließ Frau Roth ihren Unmut über die Pegida-Bewegung freien Lauf. Ein Zeichen der interkulturellen Einigkeit, der gemeinsamen Verurteilung von Ungerechtigkeit.

Filme / Gewinner / Meinung

Bester Film: Çekmeceler (Schubladen, 2015)
Beste Hauptdarstellerin: Ece Dizdar, Tilbe Saran, Nilüfer Açıkalan

Der einzige Beitrag mit einer „Ab 18“-Kennzeichnung, gewann gleich zwei Preise: Bester Film und beste Hauptdarstellerin, hier sogar bestes weibliches Ensemble (freies Zitat der Jury: „Wir konnten uns zwischen den drei unglaublichen Leistungen nicht entscheiden“).

Das Regisseur-Team Mehmet Binay und M. Caner Alper reisen in ihrem herzzereißendem, schauerlichem Film zwischen Vergangenheit und Gegenwart der Protagonistin, die blutüberströmt und schreiend, mit Schnitten am ganzen Körper in ihrer Wohnung aufgefunden wird. Beruhend auf einer wahren Begebenheit.

Wertung: 4,5 / 5

Bester Hauptdarsteller: Tansu Biçer – Neden Tarkovski Olamıyorum? (Warum kann ich nicht Tarkowski sein?, 2014)

Tansu Biçer spielt Bahadir, einen türkischen Regisseuren, einen brotlosen Künstler, einen Liebhaber von Tarkovski und Bergman. Niedergeschlagen und gelangweilt, muss er – für gerade mal Taschengeld – mit einem nichtsnutzigen Team anspruchslose TV-Filme und Serien für die Masse drehen, denn anspruchsvolles Kino findet kaum Finanzierung. Mit viel Humor und einem Tansu Biçer, welcher sehr überzeugend den Unüberzeugten spielt, spricht der Film die schwierige Situation und die vielen Stolpersteine für den anspruchsvollen Film in der Türkei an.

Wertung: 4 / 5

Publikumspreis: İçimdeki İnsan (Der Mensch in mir, 2014)

Sabri, ein einfacher Büroangestellter, nimmt eine Rohrzange und erschlägt seinen Chef. Doch Sabri selbst behauptet, er hätte nur eine Ratte erschlagen. Einen Tag später später nimmt er sich im Gefängnis das Leben. Sein früherer Jugendfreund, für wenige Tage wieder in seiner Heimatstadt, öffnet die Tür zur Vergangenheit Sabris, um das Mysterium zu klären. Durch die unterschiedlichen Aussagen von Freunden, Bekannten und Arbeitskollegen entsteht somit mehr und mehr ein Charakter, eine Person, voller Leid, Selbstbeherrschung, Liebe und Trauer; missverstanden und -handelt von allen Seiten.

Berechtigterweise hat das Publikum diesen Film ausgezeichnet, der in gewissen Szenen an David Lynch erinnert und noch lange im Herzen und den Köpfen der Zuschauer nachhallt.

Wertung: 4 / 5

Sonderpreis der Jury: He Bû Tune Bû (Es war einmal, 2014)

Zwei kurdische Familien, arbeitend auf Feldern türkischer Großgrundbesitzer. Vom 14-jährigen Kind, bis zum gebrechlichen Vater packen alle an, leben in Zelten mit wenig Ausstattung und das alles für einen Lohn, der nur annähernd alle Kosten deckt. Arbeit, Arbeit, Arbeit und Situationen, wegen welchen die eine Familie der anderen die Töchter wegnehmen möchte. Es war einmal … nur ist dies keine Dokumentation über die Gegenwart, sondern eine Reportage – von welcher ein Großteil spontan aus der Situation heraus entstanden ist – über das hier und jetzt.

Der Vorsitzende der Jury, Uwe Kockisch, nannte diesen Film sehr wichtig und dies ist er wahrlich. Ein politischer, aktueller Film.

Wertung: 3 / 5

Öngören-Preis für Demokratie und Menschenrechte: Wir sind jung, wir sind stark (2014)

Vom Autor (leider) nicht gesichtet worden.

Mehr dazu von Florian Erbach.

Von der großen Auswahl an Kurzfilmen (150 Minuten) ging der erste Preis an Berfeşir (Die Eiscreme), gefolgt von Sûret (Das Gesicht) und Maç Günlüğü (Das Fußballspiel).

Das 20. Festival ist vorbei. Das 21. Festival steht vor der Tür.