„3 Tage in Quiberon“ Kritik: Romy Schneiders Seelen-Striptease

Eugen Zentner 19. April 2018 0
„3 Tage in Quiberon“ Kritik: Romy Schneiders Seelen-Striptease

Anfang der 1980er Jahre befand sich Romy Schneider in der Krise. Um sie zu überwinden, gab die Schauspielerin dem Magazin Stern ein Interview. Die Ereignisse drum herum inszeniert nun die Regisseurin Emily Atef als intensives Kammerspiel.

Frauen in Krisensituationen zieht sich als Thema wie ein roter Faden durch das Werk der Regisseurin Emily Atef («Das Fremde in mir», «Töte mich»). Ihr jüngster Film «3 Tage in Quiberon» macht da keine Ausnahme. Und wer sich hier in einer Krisensituation befindet, ist keine geringere als Romy Schneider. Der deutsch-französischen Schauspielerin gelang in den 50er Jahren mit ihrer Sissi-Rolle der internationale Durchbruch. Darauf folgte eine steile Karriere, die – wie so oft in der Filmbranche – mit Skandalen und Drogenkonsum einherging.

1981 war der Star bereits ausgebrannt. Zuvor hatten Boulevard-Medien ihren Sorgerechtsstreit mit Ex-Mann Harry Meyen ausgeschlachtet, der wenige Jahre später Selbstmord begann. Schneiders neue Ehe lag ebenfalls in Scherben. Ihre finanzielle Lage verschlechterte sich, genauso wie ihre Gesundheit. Um sich zu erholen, quartierte sich die Schauspielerin in einem Luxus- Gesundheitshotel in Quiberon ein. Diese Zeit wollte der Film-Star auch dafür nutzen, die deutsche Öffentlichkeit von ihrer künstlerischen wie privaten Integrität zu überzeugen. Also ließ sie sich auf ein Interview mit dem damaligen Stern-Reporter Michael Jürgs ein, den der Fotograf Robert Lebeck begleitete.

Dieses Gespräch steht im Mittelpunkt von Emily Atefs Film, der nicht als klassisches Biopic daherkommt, sondern als Momentaufnahme aus dem Leben einer tief gefallenen Diva. Marie Bäumer spielt diese tragische Figur mit lässiger Kindlichkeit und verstörender Offenheit. Das Interview ist ein Seelen-Striptease der Superlative, das sich bisweilen nur schwer ertragen lässt. Schneider liefert sich dem Journalisten komplett aus, obwohl Jürgs (Robert Gwisdek) eine Grenze nach der anderen Überschreitet. Als schmieriger Reporter liefert Gwisdek eine atemberaubende Leistung ab. Als Figur mit der größten Entwicklung im Film stiehlt er der Hauptdarstellerin sogar die Show. Seine Ruhe und Gedankenschärfe, in der immer wieder Aggressivität aufblitzt, wirken elektrisierend. Auch wenn er mit seinem provozierenden Fragen auf Kritik der Beteiligten stößt, es gelingt ihm unmittelbar, sie zu entkräften. So entlarvt er in einer Szene seinen Partner Lebeck (Charly Hübner) und macht mit nur wenigen Worten deutlich, dass dessen Verhalten sich nicht sonderlich von dem seinen unterscheidet. „Und das ist auch gut so. Das ist unser Job“, sagt Jürgs lapidar und erscheint – wie so oft im Film – unsympathisch und bewundernswert zugleich.

So identisch Jürgs offensive Fragen an Romy Schneider anmuten, sie entsprechen nicht dem realen Wortlaut. Emily Atef, die auch das Drehbuch schrieb, nahm sich die Freiheit, das damalige Interview auf eigene Weise zu interpretieren. Von den Fakten weicht sie auch bei Schneiders Freundin Hilde (Birgit Minichmayr) ab, die im Film nach Quiberon kommt, um Beistand zu leisten. „Ich wollte nicht nur Romy und die Männer zeigen, sondern auch eine andere Form von Intimität zwischen Freundinnen“, erklärte die Regisseurin ihre Entscheidung.

Treu hingegen bleibt sie den Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die Robert Lebeck damals von Romy Schneider machte. Dass Atef auf Farbe verzichtet, ist als fabelhafte Entscheidung zu bewerten. Die schwarz-weißen-Bilder tragen zur Wirkung bei, dass die sehr langsame Handlung wie aus einer Zeit erscheint, die im Vergleich zum rastlosen Alltag von heute mindestens ein Jahrhundert zurückliegt. Sie passen somit zur Tonalität des Films. Denn über weite Strecken ist «3 Tage in Quiberon» ein atmosphärisch dichtes Kammerspiel, in dem die Dialoge eine solche Intensität entwickeln, dass sie den Atem zum Stillstand bringen.

„3 Tage in Quiberon“ Kritik: Romy Schneiders Seelen-Striptease

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