All Is Lost (2013): Kritik zum Survival-Drama

Mandy Passehl 20. September 2014 0
All Is Lost (2013): Kritik zum Survival-Drama

Ich habe alles verloren, außer meiner Seele und meinen Körper – oder das was davon übrig ist. Und einer halben Tagesration.„, schreibt unser Mann in seinem Abschiedsbrief, den er als Flaschenpost widerwillig ins Meer wirft. Der Regisseur und Drehbuchautor J. C. Chandor erzählt in All Is Lost die Geschichte eines namenlosen Mannes (Robert Redford), alleine segelnd auf dem Indischen Ozean, der entgegen aller Hoffnung um sein Überleben kämpft.

Als ich zum ersten Mal das Filmplakat zu All Is Lost in einer Londoner Tube-Station entdeckt habe, blieb ich vor Freude erst einmal stehen und studierte das Poster. Sehr zum Ärger der anderen Fahrgäste, die sich wunderten, warum ich erstaunt im Weg rumstehen musste, um ein Plakat mit einem alten Mann, der einmal Hollywoods Sonnyboy gewesen war, anzustarren. Doch es ist schon eine kleine Sensation für sich, wenn ein gefeierter Schauspieler und Regisseur nach mehreren Jahren Kamera-Abstinenz, endlich wieder einmal eine Hauptrolle übernimmt. Umso größer war die Freude, dass Redford der einzige Protagonist in All Is Lost ist.

1700 Seemeilen von der Straße von Malakka

Robert Redford in All Is Lost

Robert Redford in All Is Lost
(c) SquareOne/Universum

Nachdem ein lange vergessener Container auf dem Meer ein Loch in die Wand der Virginia Jean, einem kleinen Segelboot, gerissen hat, schafft es unser Mann das Leck nach und nach zu flicken und das Wasser aus der Kajüte zu pumpen, doch sämtliche elektronische Geräte wie das Funkgerät und sein Laptop sind völlig durchnässt und unbrauchbar geworden.

Schon in der nächsten Nacht zieht ein Sturm auf, welcher der Virginia Jean und seinem Besitzer schwer zusetzt. Das Boot wird von den Wellen so stark hin und her geworfen, dass er sich im Inneren den Kopf anstößt und ohnmächtig wird. Am nächsten Morgen kommt er völlig durchnässt zu sich und muss feststellen, dass ihn sein Segelboot nicht mehr lange über Wasser halten kann. Er versorgt seine Wunde am Kopf, sammelt seinen letzten Proviant ein und wechselt auf ein Rettungsboot. Er weiß nicht, wo er sich befindet, wie weit er vom Festland entfernt ist und wie viele Tage er mit den wenigen Nachrungsmitteln und einem Kanister Süßwasser zurecht kommen wird. Und der nächste Sturm kündigt sich bereits an…

Redfords Spiel ist das eines alten Profis. Er spielt seine Rolle ruhig, ernst und stolz. Anfangs entsteht der Eindruck, dass unser Segler nicht sonderlich von Angst und Verzweiflung ergriffen ist. Doch je näher dieser an seine Grenzen stößt, desto größer wächst die Verzweiflung und Enttäuschung daran, dass sich seine Lage nicht verbessert. Die Zuschauer können spüren, wie unser Protagonist seine Situation immer wieder aufs Neue hinnimmt und pragmatisch mit dem arbeitet, was er noch hat. Seine Lebenserfahrung scheint ihn gelehrt zu haben, dass es wichtiger ist, Situationen schnell anzuerkennen und entsprechend zu handeln anstatt so lange wie möglich zu versuchen, sich verzweifelt vor einer Entscheidung zu scheuen.

Ein Abschied und dann Stille

All Is Lost auf Amazon (c) SquareOne/Universum

All Is Lost auf Amazon
(c) SquareOne/
Universum

All Is Lost ist ein ungewöhnlicher Film. Da es nur einen einzigen Protagonisten gibt, findet offensichtlich kein normaler Dialog statt. Der einzige Dialog, den er führt, ist der mit der Natur. Und es scheint so, als ob diese die schlagkräftigeren Argumente hat. Leider erfahren wir demnach aber auch nichts über den einsamen Mann. Das Interessante an dem Filmkonzept ist jedoch, dass wir uns als Zuschauer selbst eine Geschichte um unseren Hauptdarsteller erfinden können. Um etwas über ihn zu erfahren, müssen wir genauer hinsehen. Zum Beispiel scheint er ein ganz guter Hobby-Segler zu sein und seinem kleinen Segelboot nach zu urteilen, kann er sich einen gehobeneren Lebensstandard leisten. Man könnte sich vorstellen, dass er seinen Reichtum nicht einfach nur geerbt, sondern hart dafür gearbeitet hat. Er ist handwerklich begabt, scheut keinerlei Arbeit und ärgert sich nicht über den verlorenen Luxus, wie beispielsweise ein warmes und trockenes Bett. Einzig sein Abschiedsbrief verrät etwas über sein Innerstes und gibt preis, dass es Menschen – vielleicht eine Familie – in seinem Leben gibt, denen er noch etwas mitteilen möchte.

Fazit zu All Is Lost

Nun habe ich verschiedentlich gelesen, wie unrealistisch der Film sei und der Hauptdarsteller dieses oder jenes im wirklichen Leben nicht hätte schaffen können. Und das stimmt vielleicht sogar. Doch spätestens am Ende des Filmes, das doch sehr unrealistisch und überraschend sentimental ist, sollte jedem bewusst geworden sein, dass All Is Lost vielmehr eine Metapher für den menschlichen Überlebenswillen ist, als ein bloßer Unterhaltungsfilm. Es ist ein ruhiger und zugleich aufwühlender Film. Mitunter gibt es Momente, die fast entspannend und gewöhnlich auf den Zuschauer wirken. Andere Momente wiederum verlangen unsere uneingeschränkte Aufmerksamkeit, um genau zu erfassen, was geschieht. Dies kann etwas ermüdend für den Zuschauer sein. Ungeduldige Kinogänger, die Survival-Blockbuster à la Open Water gewöhnt sind, werden mit diesem Film vielleicht nicht sehr viel anfangen können. Filmliebhaber, die sich nicht davor scheuen, eine eigene Geschichte über den alten Mann zu erfinden sowie Fans von Robert Redfords Schauspiel sollten jedoch nicht lange zögern und den Film schnellstens ihr Eigen nennen können.

(c) SquareOne/Universum

All Is Lost (2013): Kritik zum Survival-Drama

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