Es gibt Filme, bei deren Story-Zusammenfassung man sich als Filmkritiker zuweilen schon etwas die Zähne ausbeißt: Komplexe Ausgangslagen wollen einigermaßen erklärt, verstrickte Figurenkonstellationen in ihren Grundzügen beschrieben werden. Da vergeht des Öfteren schon eine gewisse Zeit, bis sich die Zeilen füllen. Bei Adam MacDonalds Spielfilm-Debüt „Backcountry – Gnadenlose Wildnis“ fällt dies glücklicherweise um einiges einfacher aus. Der gebürtige Kanadier liefert mit seinem Survival-Thriller einen schnörkellosen, geradlinigen und atmosphärischen Film ab, der genretypisch mit wenigen Figuren und einer simplen Geschichte auskommt.
Alex (Jeff Roop) und seine Verlobte Jenn (Missy Peregrym) planen einen kleinen Campingausflug: Wandern, Zelten, Grillen und alles, was dazugehört, um dem stressigen Alltag zu entfliehen, stehen auf dem Programm. Ein Nationalpark-Abenteuer soll es werden. Mit genügend Zeit für Zweisamkeit und das Genießen der wunderschönen Natur. Wie es bei Filmen solcher Art jedoch kommen muss, verläuft dieser Trip sehr schnell um einiges unglimpflicher als vorgesehen. Ohne Karte oder sonstiges Navigationsmittel irren sie nach einer Weile planlos umher und sehen sich der Wildnis mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert. Unter anderem wird ein aggressiver Schwarzbär auf die beiden aufmerksam und macht den Ausflug des Liebespaares alsbald zu einem erbitterten Kampf um Leben und Tod.
Man muss schon weit fernab der Filmwelt leben, um ein solches Szenario als neu oder gar innovativ zu empfinden. „Backcountry“ bedient sich etlicher anderer Genrebeiträge und variiert deren Grundgerüst lediglich minimal. „Open Water“ fällt dem geneigten Zuschauer beispielsweise ein. Nur hier eben im Wald und ohne Found Footage-Optik. MacDonald ist sich jedoch zu jedem Zeitpunkt bewusst, dass sein Debüt eben nichts anderes als ein weiterer Eintrag in die lange Liste der Surival-Thriller (mit Tierhorroranleihen) ist und deswegen zielt er geradewegs auf das ab, womit ein solcher im besten Falle immer punkten kann: Atmosphäre und Spannung aufbauen. Auch wenn das Drehbuch zu Beginn noch künstlich zugespitzt erscheint und die Darsteller recht hölzern ihre vorhersehbaren Dialoge vor dem Zuschauer ausbreiten, pendelt sich der Film nach einer gewissen Zeit ein und beginnt mit typischen Mitteln, die dramaturgische Schlinge zuzuziehen. Wirre Kameraschwenks, Dunkelheit, und eine bedrückende Geräuschkulisse halten nach und nach Einzug und vermitteln ein Gefühl der Ausweglosigkeit. Die anfängliche Nervosität in den Augen der Darsteller weicht irgendwann reiner Panik, als sie bemerken, dass sie sich bei ihrem Trip in die vermeintlich ruhige Natur gewaltig verhoben haben. was auch Einfluss auf die zwischenmenschliche Beziehung der Hauptfiguren hat, die zuweilen zu bröckeln beginnt.
Auch wenn der Schwarzbär selbst aus dramaturgischer Sicht erst relativ spät auf dem Schirm erscheint, finden die beiden überall Spuren, die auf das Monster (denn als nichts anderes wird der Bär hier stilisiert) hinweisen. Zerfetzte Tierkadaver, zerbrochene Äste, Blätterrascheln in der Nacht: Allgegenwärtig scheint das Raubtier, zeigen tut es sich jedoch selten und scheint förmlich nur auf den richtigen Moment zum Angriff zu warten. Und dann, wenn die Bestie endlich losgelassen wird, hat „Backcountry“ schließlich manche seiner besten Momente. Roh und brutal, nervenzerrend und unangenehm. Die Angst der Figuren überträgt sich auf den Zuschauer und für ein paar eklig-schaurige Momente ist definitiv gesorgt. All das ist in seinem Aufbau sicher nicht bahnbrechend, sondern geradezu klassisch, aber über weite Strecken überraschend effektiv umgesetzt. Nach einer Weile sind sie vergessen, die wunderschönen Bilder und Aufnahmen, die der Nationalpark zweifelsfrei zu bieten hat. Das pure Grauen und die hässliche Fratze der Natur treten zum Vorschein – oder ist es nur die Überheblichkeit des Menschen, die ihn in solche Situationen bringt und die Natur derart boshaft erscheinen lässt? Eine angenehm ambivalente Darstellung, die abermals nicht neu ist, aber gleichermaßen wirksam wie authentisch und ohne Zeigefinger daherkommt.
Ein herausragender, genreumkrempelnder Film ist „Backcountry – Gnadenlose Wildnis“ nicht geworden, dafür bietet er schlicht zu wenig Neues und krankt über weite Strecken an einem etwas vorhersehbaren Drehbuch und gerade zu Beginn an unausgegorenen Dialogen und Darstellerleistungen. Doch im Endeffekt muss und will er das auch gar nicht sein: Als stimmiger und ordentlich ausgeführter Genrebeitrag sowie als kleine Parabel über die unantastbare Gewalt der Natur funktioniert er nach einer Weile nämlich erstaunlich gut und wird bei Survival-Thriller-Freunden mit Sicherheit Anklang finden. Einer Vielzahl ähnlicher Vertreter ist er in diesem Aspekt sicher weit voraus.
„Backcountry – Gnadenlose Wildnis“ ist seit dem 10. Juli auf DVD und Blu-Ray erhältlich.
*AffiliateLink / Beitragsbild: © 2015 Pandastorm Pictures GmbH