Detroit Metal City (2008, Animeserie, OVA) – Serienreview

Martin 11. August 2014 1
Detroit Metal City (2008, Animeserie, OVA) – Serienreview

Detroit Metal City bindet Konventionen Blei an die Füße und versenkt sie (sicherheitshalber wird ihnen vorher ins Gesicht gespuckt). Mit dem Metallhammer werden Grenzen guten Geschmacks eingerissen. Die zwölfteilige Anime-Serie bildet aber keinen bloßen Auswuchs fakälhumoriger Phantasmen. Sie greift auf Elemente zurück, die gute Komödien und Satiren als solche erst funktionieren lassen.

Ebenso wie in Filmen wie Kindergarten Cop (1990) wird der Hauptcharakter in einer Umgebung plaziert, die seinem Naturell widerspricht. Detroit Metal City treibt diesen Zweispalt in ein Extrem: Souichi Negishi ist ein friedliebender, soft-pop-hörender Student, der aus dem Ländlichen in die Großstadt zieht, um Musik zu studieren. Einige Jahre später findet er sich als Frontmann der Death Metal Band Detroit Metal City wieder. Dort ist er unter dicker Gesichtsbemalung und noch schwererer Rüstung nur als infernaler Lead-Sänger und Gitarrist Krauser bekannt, der zusammen mit seinen Band-Kollegen musikalisch die Hölle auf Erden heraufbeschwört.

Ein enormer Teil der Komik entsteht somit aus den beiden Realitäten, die Souichi in Einklang zu bringen versucht. Aus Negishis Sicht ist es dabei nicht unbedingt förderlich, dass er einen gewissen künstlerischen Stolz an den Tag legt. Das führt dazu, dass er sich dazu berufen fühlt, Errungenschaften und Status seines Alter Egos zu verteidigen oder neue Erfolgsetappen erst zu erreichen. Auf der anderen Seite ist die erschaffene Kunstfigur Krauser, so überbordend sie auch sein mag, ein Stück weit Ausdruck einer Seite Souichis, die er ansonsten nicht ausleben kann. Die wahre Identität Krausers soll nicht aufgedeckt werden, weil ihre Darstellung wider Souichis Charakter und seinen eigentlichen Musikinteressenen ist. Er hat Interesse daran, dass andere Personen nicht wissen, wer hinter der Maske steckt, die er selbst so stark ablehnt und für die er sich schämt. Die beiden weit auseinander liegenden Persönlichkeiten kommen sich so oft in die Quere und nicht selten gewinnt Krauser die „Oberhand“. Für den Zuschauer werden dadurch häufig Situationen kreiert, die Schadenfreude auslösen. Dazu kommt, dass sich nicht nur die Song-Texte der Band locker ein „Parental-Advisory“ verdienen würden: Die extrem vulgäre Sprache findet auch außerhalb der Songs Anwendung und verleiht Situationen oft die restliche Würze, die die vielen, vielen Lachtränen bei mir endgültig hervorgelockt haben.

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Detroit Metal City kann gleichzeitig damit glänzen, eine satirische Behandlung des Musik-Business anzubieten. Klischees im Metalmusik-Bereich werden adaptiert und überzeichnet. Anders als in der Rocksatire This Is Spinal Tap (1984) wird Subtilität aber weitestgehend außen vor gelassen. So überschlagen sich die aberwitzigen Ideen zum Dreh eines Musik-Videos, bei der der harmloseste Vorschlag noch der Biss in die Fledermaus ist (Ozzy Osbourne lässt grüßen). Wie etwa die britischen Metaller Iron Maiden hat auch Detroit Metal City ein Maskottchen auf der Live-Bühne: Bei ihnen heißt es „Kapitalistenschwein“, das körperlich angegangen wird, was sich sein Darsteller Keisuke Nashimoto aber ausdrücklich wünscht.

Einigen seiner früheren Schulkumpanen begegnet Souichi Negishi heute im Musikgeschäft, was in einem Fall zu einer Persiflage des Rap-Genres führt. Andere wichtige musisch verortbare Nebencharaktere sind neben seinen Bandkollegen vor allem die Managerin von der Plattenfirma Death Metal Records und damit auch Detroit Metal City, Shachou: Sie fordert, begleitet durch Kaskaden von Schimpfwörtern, bevorzugt „F***“, immer das Äußerste von Souichi. So besucht sie ihn eines Nachts, um sein trautes Heim in eine einem Rockstar angemessene Behausung umzuwandeln. Nicht nur die Musiker werden auf die Schippe genommen, sondern auch ihre Fans. Hier nimmt die Serie dann soziale Netzwerke und Legendenbildung („urban legends“) in den Blick, womit aus der extrem übersteigerten Musiksatire auf einmal ein Stück Gesellschaftssatire wird.

Die Serie vermeidet klugerweise zu erklären, wie genau in Souichi in Detroit Metal City gelandet ist (Ist das überhaupt möglich?). Stattdessen wird der Fokus auf lose miteinander gekoppelte, knackig kurze vierzehnminütige Episoden gelegt, in denen Situationen und Konstellationen geschildert werden, die eine enorm hohe Lachdichte versprechen. Die von Nigishi Angebete Yuri Aikawa hat dabei besonders häufig unter der Zwiespältigkeit des Protagonisten zu leiden.

Ebenso vertritt Detroit Metal City visuell einen ganz eigenen Stil. Figuren und Handlung werden oft in einander sich abwechselnd großen Bildausschnitten präsentiert. Die zeitweise animationsarmen Bilder unterstützen in ihrer Anreihung das komödiantische Timing und die Pointen. Die Gesichtsanimationen erinnern manchmal an die Anime-Serie Great Teacher Onikuza (1999), was ein ausdrücklicher Pluspunkt ist: Das heißt, nahe an der „Kamera“ gelegenden Gesichern werden mehr Details hinzugefügt. So werden die Emotionen, die meistens zwischen Wut, Chartaktermilde und Ekel variieren, besonders stark hervorgehoben.

Fazit

Detroit Metal City richtet sich an die Zielgruppe der erwachseneren Zuschauer, die sich an Kraftausdrücken und teilweise stark unter die Gürtellinie gehenden, schwarzhumorigen Gags sowohl visueller als auch sprachlicher Natur nicht stört. Man muss nicht unbedingt der Metal-Musik zugeneigt sein, aber ein bisschen Kenntnis offenbart so manchen Insider-Witz. Am Ende dieser für mich so lustigen Serie war ich etwas traurig. Denn ich wusste, dass ich etwas ganz Besonderes gesehen habe und es etwas Vergleichbares wahrscheinlich nicht gibt oder kaum mehr geben wird. Aufgrund der beschriebenen Qualitäten und der damit einhergehenden Extravaganz vergebe ich volle 5 Sterne. Damit würde sich die Serie weit oben in der Top 15 meiner Anime-Serien plazieren. Detroit Metal City wurde als OVA verfilmt, das heißt, es wurde direkt für den Videomarkt produziert. Die Serie wurde nicht synchronisiert, sondern ist nur im japanischen O-Ton mit Untertiteln erhältlich.

 Copyright Beitragsbild: (c) Studio 4°C

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