Ein „Blackhat“ ist in einigen schlicht gestrickten Teilen der US-Hackerkultur ein böser Hacker, ein Cyberkrimineller, der auf Zerstörung, Erpressung und Geld aus ist. Ein „Whitehat“ ist dagegen, ganz im Sinne des Westerngenres, ein Hacker des Gesetzes: Ein Cybersheriff, also tätig im Sinne oder sogar im Dienste von Polizei, FBI oder Militär und Geheimdienst der USA. Der Film konterkariert übliche Hackerfilm-Klischees, wonach der magere Computerfreak einem Bruce Willis den Weg zum Lorbeer freihacken darf. Hier hat der den Film dominierende Hackerheld Hathaway (Chris Hemsworth, bekannt als Donnergott Thor) eigene Muskeln und ballert sich zwischen digitalen Geniestreichen mit brutaler Waffengewalt durch die bleihaltige Hackerballade.
Der Film „Blackhat“ beginnt mit einer visuellen Hommage an den Hacker-Klassiker „Tron“: Vom Druck auf eine Enter-Taste rast die Kamera als Elektron durch Drähte, Bauteile und Mikrochips. Dann bersten die Schraubenflügel einer Pumpe: Die Eingangssequenz machte uns zu Zeugen der Cyber-Attacke auf ein chinesisches Atomkraftwerk, dem ein GAU von beinahe Fukuchima-Format folgt. Mehr Effekt geht nicht und die Frage Doku oder Popkorn ist damit auch geklärt.Erzählt wird zunächst aus der Perspektive des chinesischen Whitehat-Militärhackers Chen Dawai (Leehom Wang), der das Verbrechen aufklären soll. Trotz Bedenken auf beiden Seiten kommt es zu einer Kooperation mit den USA, wo bei einem ähnlichen Cyberangriff auf die Börse 70 Millionen Dollar erbeutet wurden. Auch Liebhaber rassistischer Klischees werden also enttäuscht: Die Chinesen sind nicht die Bösen.
Unser Whitehat Chen nimmt seine Schwester Lien (Wei Tang), ebenfalls Computerexpertin, mit zum FBI und enttarnt den Programmierer eines Teils der verwendeten Malware. Es ist sein alter Studienkumpel aus den USA, der auf die schiefe Bahn geriet und wegen Computerbetrug 15 Jahre absitzen muss. Chen hatte seinerzeit beim als Studentenulk erstellten Tool sogar mit programmiert und dringt nun darauf, seinen Freund aus alten Tagen ins Team zu holen.
Hackergenie Hathaway wird widerwillig vom FBI aus dem Knast gelassen und handelt sogar einen Straferlass als Fangprämie für den bösen Blackhat heraus. Hathaway selbst entpuppt sich schnell als nur halbzwielichtiger „Greyhat“. Denn seine Millionenbetrügereien waren Resultat einer schlimmen Kindheit, der Inhaftierung wegen gewaltsamer Verteidigung seines Girls nebst folgender Verweigerung einer zweiten Chance im Computerberuf. Er ist also eigentlich ein guter Kerl, der nie jemanden geschädigt hat, außer Banken, die ja selbst dauernd die Leute abzocken, wie er sich plausibel rechtfertigen kann. Einer erotischen Liaison mit Netzexpertin Lien steht also nichts im Wege.
Die Jagd auf den Blackhat erweist sich als schwierig, auch weil die NSA dem FBI ein wichtiges Tool namens „Blackwidow“ verweigert: Die paranoiden Betonköpfe der NSA trauen der amerikanisch-chinesischen Kooperation nicht. Hathaway hackt die NSA, mit inoffiziellem Einverständnis der FBI-Agentin Barrett (Viola Davis) und wird dafür trotz Fahndungserfolg prompt erneut als Krimineller gebrandmarkt.
Der Film von Michael Mann (Collateral, Public Enemies) erweist sich damit auf der Höhe der Zeit, was eine Doppelmoral bei gesetzwidriger Computernutzung angeht: Man denke etwa an die irrationale Rachsucht der US-Behörden gegen Hacker, etwa Chelsea Manning und Julian Assange von Wikileaks, den Stratfore-Hacker Jeremy Hammond oder den NSA-Dissidenten Edward Snowden. Keiner bekam Straferlass, obwohl alle kriminelle oder zweifelhafte Methoden ans Licht brachten. Egal ob das Hacken einem guten Zweck, dem Nutzen der Gesellschaft oder zum Segen der Menschheit dient, wer immer das Schnüffel-Monopol der NSA, ihrer Alliierten oder Tarnfirmen bricht, wird gnadenlos verfolgt. Wer gar ihre kriminellen Machenschaften aufdeckt, wird als Verräter dämonisiert.So geht es auch unserem us-chinesischen Whitehat-Team, denen zudem alsbald die brutale Bande ihres Blackhat-Kriminellen ihrerseits im Nacken sitzt. In bleihaltigen Gefechten kommen sie unter schweren Verlusten letztlich einem noch viel diabolischerem Plan des Cyberkriminellen auf die Spur. Gedreht wurde in Los Angeles, Hong Kong, Kuala Lumpur, und Jakarta.
Blutiges Hackerepos mit Längen: Der Thriller schwächelt mit einigen Längen, lauer Lovestory und der Wackeloptik in Actionszenen. Er punktet dafür mit ansatzweise kritischer Haltung, Panoramabildern und relativ realistischer Schilderung technischer Details des Cyberkriegs gegen das Verbrechen. Kein ganz großer Wurf, aber solides Popkorn-Kino.
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