Game of Thrones Staffel 5 Folge 2 Kritik: „The House of Black and White“

Thomas Neumeier 20. April 2015 4

Der Staffelauftakt letzte Woche diente dem Zweck, die Dinge zu ordnen und die durchaus drastisch veränderten Verhältnisse an der Mauer und in Königsmund bzw. Kings Landing auf Schiene zu bringen. Action und neue Entwicklungen ließen da erwartungsgemäß noch auf sich warten. Anders nun Folge 2. Die Geschichte marschiert voran, und schon jetzt ist absehbar: Die Serie schlägt fortan noch deutlicher andere Routen ein als die Bücher. Ich begrüße das, fühlt sich doch vor allem in A Feast for Crows vieles nach Füllwerk an, das die Geschichte kaum voranbringt.

Arya erreicht Braavos und gelangt ohne Schwierigkeiten an das „House of Black and White“, das dieser zweiten Folge der Staffel den Titel leiht. In das fensterlose Objekt reinzukommen gestaltet sich schon schwieriger, also verbringt sie eine ganze Nacht damit, an der Haustür noch einmal die Namen abzuarbeiten, die ihre Rache verdienen. Die Liste fällt schon jetzt erstaunlich kurz aus, wobei Arya vom nicht weiter bedauernswerten Schicksal des „Berges der reitet“ Gregor Clegane anscheinend noch gar nichts weiß. Sie sollte sich sputen mit ihrer Rache, sonst bleibt ihr bald niemand mehr, an dem sie sie verüben kann. In ihrer Aufzählung vermisse ich Ilyn Payne, den Henker ihres Vaters.

Auf Wunsch vieler Fans tritt Tom Wlaschiha als Jaqen H’ghar wieder in Erscheinung. Doch vertrautes Gesicht hin oder her, ist das wirklich derselbe Geselle, dem Arya auf Westeros begegnet ist? Das makabere Geheimnis, wie der Trick mit den austauschbaren Gesichtern funktioniert, dürfte im Fortlauf der Staffel noch gelüftet werden. Demnach könnte es sich auch um einen anderen handeln, der Arya da durch die schwarzweiße Pforte hereinbittet. Denn falls nun tatsächlich jener Jaqen H’ghar, der in Staffel 2 Gefangener der Lannister-Schergen war, auch der Hüter des Hauses des einen Gottes wäre, stellt sich die Frage, was dieser Hüter denn in Westeros zu suchen hatte.

Brienne und Podrik treffen nach Arya in Folge 4×10 nun auch auf die zweite Stark-Tochter Sansa, die in einem Inn mit Petyr und ihrem Gefolge zu Mittag isst. Angesichts der Größe von Westeros ist das nicht der erste seltsame Zufall, aber sei’s drum. Die arme Brienne dürfte neben Ser Barristan Selmy eine der wenigen selbstlosen Charaktere in George R. R. Martins Epos sein. Doch wieder wird ihr Dienst verschmäht. Gut möglich, dass Sansa Briennes redliche Absichten erkannt hat, doch Briennes Angebot kommt leider zur Unzeit. Sansa hat am Hofe Joffreys viel gelernt und spielt nun ihr eigenes Spiel. Und sie durchschaut Petyr mehr als sie vorgibt. So wie Petyr sie benutzt, benutzt sie auch ihn. Brienne, ehrlich und aufrichtig wie sie es zweifellos meint, wäre nun ein Störfaktor. Es kommt zur Auseinandersetzung noch bevor Brienne Gelegenheit hat, Sansa anzutragen, dass ihre Schwester Arya ebenfalls noch am Leben ist.

Petyrs Ränke sind nach wie vor schwer zu durchschauen. Die genialen Schachzüge aus den Büchern, wie der die Ritter und Häuser von Hohenehr gegeneinander ausspielt, werden in der Serie übergangen. Dafür zeichnet sich eine alternative, verkürzte Entwicklung ab, die ebenfalls zur Folge haben dürfte, dass Sansa zu Macht und Ehre zurückkehrt. Doch was hat Petyr davon? Ich persönlich glaube ihm nur eins: Dass er Catelyn Stark (vormals Tully) geliebt hat. Doch was will er? Welches Ziel verfolgt er? Sollte Lord Varys, die Spinne, ihn als einziger durchschaut haben? Petyr Baelish würde die sieben Königslande niederbrennen, um über ihre Asche herrschen zu können.

Damit wären wir auch schon bei Lord Varys und dem neuerlichen Reise-Gespann Varys/Tyrion. In einer geräumigen Kutsche befahren sie die Straße nach Volantis. Auf Tyrions Fragen hin, warum Varys tut, was er tut, behauptet Varys wiederholt, er wolle jemanden herrschen wissen, der es wert ist zu herrschen – und das sei Daenerys. Tatsächlich? Woher will er das denn wissen? Rufen wir uns in Erinnerung, was während Roberts Rebellion passiert ist: In den Büchern ist Varys maßgeblich dafür verantwortlich, dass Prinz Rhaegars Sohn gegen ein anderes Baby ausgetauscht worden ist und somit den Schlächtern Gregor Clegane und Amory Lorch entgangen ist. Dieses Detail fehlt in der TV-Serie bislang, aber noch ist nicht aller Tage Abend. In der TV-Serie unterstützt Varys seit ihrer Flucht die beiden letzten Targaryens in Gestalt von Daenerys und ihrem (in der ersten Staffel verblichenen) Bruder Viserys. Varys konnte aber unmöglich vorhersehen, dass Daenerys eine würdige Herrscherin sein würde. Er konnte nicht mal vorhersehen, dass sie jemals in Herrscherwürden stehen würde. Wären die Dinge anders gelaufen, wäre ihr verrückter Bruder Viserys nun an ihrer Stelle – dann ebenfalls mit Varys Hilfe. Varys dient also keineswegs irgendeinem höheren Zweck bzw. einer imaginären Idealvorstellung eines Regenten oder einer Regentin. Nein, er dient schlicht und ergreifend dem Hause Targaryen. Die Frage ist, womit sich die niedergegangene Targaryen-Dynastie diese Loyalität verdient hat. Was sein hingebungsvolles Theater über eine „gerechte Herrscherin“ soll und warum er es Tyrion vorspielt, ist bis dato weder in Buchform noch in der TV-Serie zu durchschauen und wird hoffentlich noch befriedigend aufgeklärt.

Ein weiteres interessantes Reise-Gespann zeichnet sich am Horizont ab: Ser Jaime und Ser Bronn. In den Büchern sucht man nach diesem Handlungsstrang vergeblich. Dort reitet Jaime mit einer Armee nordwärts, um die Flusslande einzunehmen und Schnellwasser zu belagern, wo Catelyns Onkel, der „Blackfish“, seit der „roten Hochzeit“ die Stellung hält. Die TV-Lösung verspricht mehr. Schon allein weil es Screentime für Bronn in Aussicht stellt, welchen Jerome Flynn mit seiner federleichten Darstellung zu einem Highlight der Serie macht.

Wie Cercei als Königin Mutter am Hofe König Tommens mit dem kleinen Rat verfährt, zeugt von wenig Weitsicht und noch weniger Feingefühl. Während der Ratsszene sehen wir einen durch und durch eindrucksvollen Auftritt von Ian Gelder als Kevan Lannister, der sich von ihr nicht vereinnahmen lassen will. Er durchschaut Cercei genau und wandelt mit seiner Haltung in den Fußstapfen seines Bruders Tywin, der stets lieber aus der zweiten Reihe die Fäden gezogen hat, anstatt sich in der ersten machtpolitisch aufreiben zu lassen. Anstelle für Cercei eine vorzeigbare Kriegsgalleone zu spielen, zieht Ser Kevan es vor, nach Casterly Rock zurückzukehren. Im Gegensatz zu ihm erweist sich Margaerys Lord Vater Mace Tyrell als naiver Trottel, der sich zum einen als Schatzmeister abspeisen lässt und auch noch freudig den Weg zur Eisernen Bank auf sich nimmt, um für Cercei Stundungen und Zahlungsaufschiebungen auszuhandeln. Für Cercei ein äußerst nützlicher Idiot. Kaum zu glauben, dass der eine so durchtriebene Mutter und Tochter hat.

Blinzeln wir nun weit in den sonnigen Süden, nach Dorne, wohin sich Jaime und Bronn aufmachen wollen, um Jaimes Nichte (=Tochter) zu holen, die seit Staffel 2 Gast und Geisel am Hofe von Prinz Doran Martell ist und zu gegebener Zeit seinen Sohnemann heiraten soll. Seit Tyrion (damals noch HAND von König Joffrey) diese Vereinbarung getroffen hat, ist allerdings viel geschehen. Vor allem ist Prinz Oberyn getötet worden, und seine Liebhaberin sowie Oberyns Töchter, die Sandvipern, wollen Rache an den Lannisters. Nicht nur für Oberyn. Während Roberts Rebellion, als Tywin Lannisters Truppen Königsmund brandschatzten, hat Ser Gregor Clegane Prinzessin Elia (Dorans und Oberyns Schwester) vergewaltigt und ermordet. Zusammen mit ihren beiden Kindern. Diese Folge beschert uns nun einen ersten und durchaus eindrucksvollen Auftritt von Alexander Siddig als Doran Martell. Für die TV-Serie wurde einiges gekürzt, sogar seine Tochter fiel der Schere zum Opfer, somit bleibt abzuwarten, ob dieser Doran Martell ebenso weit und mit klugem Kalkül geplant hat, wie seine Buchvorlage.

Vom tiefen Süden hinauf in den hohen Norden. An der Mauer gleicht der TV-Stannis nun endlich zunehmend dem Bücher-Stannis. Dem TV-Stannis konnte man bislang wenig Sympathisches abgewinnen. Nicht dass der Bücher-Stannis ein netter Kerl wäre, aber er war immer wieder mal für einen Schmunzler gut. Das Gespräch mit Jon in dieser Folge trifft exakt den Ton. Kein König oder General würde einen despektierlichen „Brief“ wie den kleinen Zweizeiler aus Bear-Island von Mormonts zehnjähriger Nichte irgendeinem niederer Gestellten zeigen und sich damit einem Gesichtsverlust aussetzen. Tja, Stannis schon. Denn Stannis ist dermaßen BADASS, dass kein Fauxpas in welcher Form auch immer seine Authorität unterminieren könnte. Er hat es nicht nötig, sich gegenüber Dritten künstlich zu glorifizieren. Gegenüber keinem. Einfach königlich sein grimmiges „That amuses you“ zu Jon, als der über die zwei Zeilen aus Bear-Island schmunzelt. Stephen Dillane mimt ihn großartig. Es wäre allzu wünschenswert, wenn seine Figur jetzt endlich die Screentime bekäme, die ihr zusteht.

Jon wird neuer Lord Commander der Nachtwache, und in Meereen erweist sich Ser Barristan einmal mehr als weiser Ratgeber für Daenerys. Inwieweit die Enthauptung eines ihrer anderen Ratgeber eine gute Idee war, darf allerdings angezweifelt werden. Am Ende gibt es ein Wiedersehen mit dem schwarzen Drachen Drogon, der in der TV-Version ein wenig handzahmer erscheint als sein Buch-Vorbild.

Folge 2 zieht das Tempo ordentlich an und macht Lust auf mehr. 4 Sterne, wobei die Messlatte bei Game of Thrones schon sehr hoch liegt.

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Beitragsbild: (c) HBO