„Hell or High Water“ (2016) Kritik: Kein Land für Versager

Bernhard 1. März 2017 0
„Hell or High Water“ (2016) Kritik: Kein Land für Versager

Hell or High Water“, der Titel von David Mackenzies neuem Film, bedeutet aus dem texanischen Englisch ungefähr übersetzt „fast unüberwindbare Hindernisse“. Der Neo-Western war nominiert für den Academy Award in den Kategorien Best Editing, Best Writing (Original Screenplay) und Best Picture (gewann aber keinen Oscar) und handelt von zwei ungleichen Brüdern, die nur eine bestimmte Bankkette überfallen, um ihre Farm zu retten.

Toby Howard (Chris Pine) und sein gerade aus dem Gefängnis entlassener Bruder Tanner (überragend: Ben Foster) haben die Farm ihrer kürzlich verstorbenen Mutter geerbt. Auf dem Farmland werden große Ölvorkommen vermutet, allerdings droht dem Gelände samt Farmhaus die Pfändung durch die Texas Midlands Bank, bei der die Mutter eine Immobilienrente aufgenommen hatte. So planen die Brüder Überfälle auf Filialen dieser Bank, um mit dem gestohlenen Geld die Hypothek abzubezahlen. Bald wittern die Polizisten Marcus Hamilton (Jeff Bridges) und Alberto Parker (Gil Birmingham) ein Muster hinter den Raubzügen und heften sich an die Fersen der Gesetzlosen.

David Mackenzie erzählt die Geschichte zweier Charaktere, die außerhalb des Gesetztes arbeiten, um dafür zu sorgen, individuelle Gerechtigkeit zu erreichen und fängt damit die Zustände eines wirtschaftlich abgeschlagenen ländlichen Amerikas ein. Auf den Autofahrten des Bruderpaares werden dem Zuschauer immer wieder große Tafeln mit Werbung für Pfandleiher oder zwielichtige Kredite am Straßenrand gezeigt, während im Hintergrund große Ölraffinerien schwarzen Rauch durch hohe Türme in den Himmel pumpen. Die ausgedörrten kleinen Marktflecken, in denen die meisten Betriebe dichtmachen mussten, dienen als Kulisse für ein unter die Haut gehendes, subtiles Drama, welches die Ausweglosigkeit der leeren texanischen Hölle schildert. Zwar werden Toby und Tanner durchaus als kleinkriminelle Versager eingeführt, doch stehen sie stellvertretend für all diejenigen, die, von einer globalisierten Ökonomie zurückgelassen und betrogen, das Gesetzt verzweifelt selbst in die Hand nehmen.

Hell or High Water (2016) Filmszene (c) CBS Films/Lionsgate
Toby (Chris Pine, links) und Tanner (Ben Foster, rechts) auf ihrer Farm (c) CBS Films/Lionsgate

Chris Pine als Toby als strukturiert planender, desillusionierter Mittdreißiger, dessen einziges Ziel es ist, seinen Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen, harmoniert auf der Leinwand ausgezeichnet mit dem launischen, aufbrausenden, nicht zu kontrollierenden Ben Foster als Tanner, der in den Überfällen lediglich den nächsten adrenalinausschüttenden Kick sucht. Beide sind sich in keiner Weise ähnlich, doch verbunden durch eine brüderliche Liebe, die in einigen intim inszenierten Szenen spürbar wird. Auch die Polizisten repräsentieren zwei Pole: Auf der einen Seite der brummige Marcus, der sich auf seine Erfahrung und sein Bauchgefühl verlässt, auf der anderen der korrekte, etwas spießige Alberto, durchgehend durch nicht ernstgemeinte rassistische Kommentare seines Partners genervt. Zu den Hauptdarstellern gesellen sich allerhand urige, texanische Originale, die dem thematisch etwas aufgeladenen Film eine Prise schwarzen Humors einhauchen.

Einziges Manko an Mackenzies ultrarealistischem Meisterwerk ist, dass „Hell or High Water“ digital gefilmt wurde. Der etwas klinische, graumelierte Look hat auch seine Vorteile, in diesem Fall hätte wohl aber die tiefere, kotrastreichere Optik einer analogen Aufnahme dem Film einen authentischeren Ausdruck beschert. Die Cinematographie dagegen ist hervorragend. In kompositorisch einfachen, langsamen Einstellungen fängt Kameramann Giles Nuttgens die augenscheinlich langweilige, eintönige Atmosphäre der texanischen Einöde ein. Seine Bilder erinnern stark an „No country for old men“, ohne dahinter zurückzubleiben. Im Gegenteil, „Hell or High Water“ ist ein düsterer, beeindruckender Film. Mackenzie stellt die Frage, ob die Brüder, Symbole des Niedergangs eines nie wirklich existierenden amerikanischen Traums, je eine andere Wahl hatten.

Kinostart war der 12.01.2017

Beitragsbild und Video (c) CBS Films/Lionsgate

[schema type=“review“ url=“www.filmverliebt.de“ name=“Hell or High Water“ rev_name=“Hell or High Water“ author=“Bernhard Bein“ pubdate=“2017-02-21″ user_review=“5″ min_review=“0″ max_review=“5″ ]

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