„I am Mother“ Kritik: Dystopisches Kammerspiel mit Android und zwei Personen

Martin Rudolph 22. August 2019 0
„I am Mother“ Kritik:  Dystopisches Kammerspiel mit Android und zwei Personen

Der Film beginnt „1 Tag nach der Auslöschung der Menschheit“. In einem von der Außenwelt abgeschotteten High-Tech-Bunker entnimmt ein humanoider Roboter einen Embryo aus einer Art Reagenzglas. Der Android singt einem kleinen Mädchen ein Schlaflied; die Kleine wächst heran, spielt, lernt…

„13.867 Tage nach Auslöschung der Menschheit“: Ein Teenager-Mädchen (Clara Rugaard), „Tochter“ genannt, wird von dem Android unterrichtet. „Mutter“ wurde programmiert, um nach der Katastrophe das Überleben der Menschheit sicherzustellen. Um die erneute Besiedlung der Erde zu gewährleiste,n kann sie auf einen Vorrat von rund 63.000 menschlichen Embryonen zugreifen. Die kontaminierte Oberfläche der Erde verbietet jeden Außenkontakt. Die einzige Referenz an eine frühere Welt sind Ausschnitte der Johnny Carson-Show „Tonight“ (mit Steve Martin und Whoopi Goldberg), die Tochter sich ansieht.

Das innige Zusammenleben von „Mutter“ und „Tochter“ – eine ausgewogene Balance zwischen liebevoller Nähe und strenger Erziehung – wird jäh gestört, als eine blutende fremde „Frau“ (Hilary Swank) vor der Luftschleuse um Einlass fleht. Mutter, deren Speicher nachts aufgeladen werden müssen, kann nicht verhindern, dass „Tochter“ sie trotz der Gefahr einlässt. Anscheinend beeindruckt von ihrer Entschlossenheit beaufsichtigt „Mutter“ später sogar ihre medizinische Versorgung.

Ein weiterer Hinweis auf eine frühere Welt ist ein Buch, das „Frau“ bei sich trägt: Rice Burroughs „The Gods of Mars“.

Erschüttert von der Tatsache, dass doch Menschen „da draußen“ leben, beginnt das Weltbild von „Tochter“ Risse zu bekommen. Hat „Mutter“ immer die Wahrheit gesagt? Mit ihrer Intelligenz und der vermittelten ethischen Integrität beginnt „Tochter“ ihre Nachforschungen über die Frage ihrer eigenen Existenz und ihrer wahren Aufgabe. Und wem kann sie vertrauen – der künstlichen „Mutter“ oder dem unbekannten Menschen?

So kulminiert ein beeindruckender und immer spannender Drei-Kampf zwischen „Tochter“, die immer mehr zur treibenden Kraft wird, „Mutter“ und „Frau“…

Regisseur Grant Sputore ist ein grandioser Erstlingsfilm gelungen – die Story entwickelt sich trotz aller Wendungen und Twists immer konsequent und immer spannend (Drehbuch: Michael Lloyd Green). Wichtige Überlegungen, etwa Asimovs Robotergesetze oder die ethische Verantwortung des Trolley-Problems, werden angerissen, aber sie überlagern nie die Handlung, die immer weiter zum nächsten Twist und zur nächsten Konfrontation vorangetrieben wird.

Die Darsteller tragen die Weiterentwicklung mühelos. Clara Rugaard ist großartig (nur manche Veränderung ging mir etwas zu schnell); Hilary Swank spielt makellos in ihrer Verzweiflung. Android „Mutter“ ist kein CGI-Geschöpf, sondern ein Mitarbeiter aus der WETA-Schmiede Peter Jacksons (Luke Hawker) wurde mit einem Spezialanzug ausgestattet. So gelingt es, „Mutter“ mal fürsorglich, mal bedrohlich darzustellen, was viel zur Wirkung des Films beiträgt.

Auch sonst ist die Technik ist über jeden Zweifel erhaben. Ausstattung, Licht, Schnitt, Kamera, alles bildet eine Einheit und verstärkt den hellen und auch düsteren Endzeit-Charakter.

Sicher, manches hat man schon mal so ähnlich gesehen. Die klinische Sauberkeit bei „Moon“, den Android-Konflikt bei „Ex-Machina“, das klaustrophobische Setting bei “10 Cloverfield Lane“, aber es wirkt bei Sputore nie wie nur Kopie oder Zitat, sondern er nutzt lediglich die vielen Versatzstücke und arrangiert sie auf so innovative Art und Weise, dass das Genre eindrucksvoll um neue Aspekte ergänzt wird.

Fazit: Ein intelligenter dystopischer Sci-Fi-Thriller, der immer spannend bleibt und nachwirkt.

Kinostart in Deutschland ist der 22. August 2019

**** 4 Sterne
Regie: Grant Sputore
Produktionsland: Australien 2019
114 Minuten, FSK ab 12
Vertrieb: Concorde Film
Beitragsbild © Netflix / Concorde

„I am Mother“ Kritik: Dystopisches Kammerspiel mit Android und zwei Personen

4.3 (86.67%) 3 vote[s]