Kritik zu James Bond 007: Spectre – Auf die Couch mit Ihnen, Mister Bond!

Tobias Ritterskamp 13. November 2015 2
Kritik zu James Bond 007: Spectre – Auf die Couch mit Ihnen, Mister Bond!

In ausreichendem Abstand, die Ruhe bewahrend und geduldig, starrst du durch das Fernglas. Dann hört man ihn, den lebhaften Gesang und irgendwann siehst du es vielleicht auch noch, das dazugehörige Vögelchen. Es ist eine wunderschöne Blaumeise. James Bond war passionierter Ornithologe und es ist alles andere als ein Zufall, dass auch Ian Flemings kreierter Agent James Bond heißt. Dem 007-Erfinder, selbst Vogelbeobachter, schien der Name „so gewöhnlich wie möglich“.

Doch während der eine in aller Ruhe beobachtet, muss der andere handeln, um einen Anschlag in Mexiko-Stadt zu verhindern. Das ist noch ein Auftrag seiner ehemaligen und in Skyfall verstorbenen Vorgesetztin (Judi Dench), den er kurz nach ihrem Tod per Videobotschaft erhielt. In Begleitung einer jungen Frau wird der Doppelnullagent beim Día de los Muertos, dem Totenfest in Mexico-City, gezeigt. Die beiden begeben sich auf ein Hotelzimmer. Sie positioniert sie sich reizvoll auf dem Bett, während Bond desinteressiert das Zimmer verlässt, natürlich durch das Fenster, um kurz einen Häuserblock in die Luft zu sprengen. Der Attentäter kann fliehen. Bond verfolgt ihn und liefert sich letztlich einen Schlagabtausch mit ihm in einem Helikopter. Unfreiwillig wird die Besatzung vom Doppelnullagenten aus dem Heli befördert und 007 verhindert mal eben, dass er in die Menschenmenge kracht. Auf die Frage „M´s“ (Ralph Fiennes), was er in Mexiko gemacht habe, kontert Bond: „Ich habe längst überfälligen Urlaub genommen“.

James Bond 007: Spectre serviert eine wohldosierte Portion pointierter Dialoge. Seien es die mit seinem sich durch sympathische Arroganz auszeichnenden Vorgesetzten „M“ (Ralph Fiennes) oder dem Hauptquartiermeister Q (Ben Whishaw), der sich unter anderem über Bonds Destruktionsaffinität mokiert. Jede ironische, jede zynische Spitze ist ein erhabenes Kunststück, das sich eindrücklicher im Gedächtnis einnistet als manche Actionsequenz.

Im 24. Bond-Abenteuer steht es außerordentlich schlecht um das Doppelnullprogramm. Physische Kampfeskraft soll durch Drohnen ersetzt werden. Der Chef des Centre for National Security Max Denbigh, Codename „C“, (Andrew Scott) fordert totale Überwachung. Deshalb sollen neun Geheimdienste unterschiedlichster Länder miteinander fusionieren, um Daten en masse abzugreifen. Das Rekurrieren auf den NSA-Skandal ist offenkundig, aber die Thematik, wenngleich sie den Film durchzieht, ist als Beiwerk, ja Konflikt zwischen „M“ und „C“ ein Nebenhandlungsstrang, dessen Einbettung in die Bondmission lobenswert erscheint, aber dann doch nur als Legitimation für die nächste Actioneinlage fungiert. Das ist ja auch in Ordnung, schließlich handelt es sich um einen 007-Streifen und nicht um eine Dokumentation zum Thema „Totale Überwachung“. Während die Ein-Mann-Armee Bond nach der Mexiko-Aktion vom Dienst suspendiert wird, will er mehr über das Terrornetzwerk Spectre herausfinden. Die Suche führt ihn unter anderem nach Rom zur Witwe (Monica Bellucci) des von 007 getöteten Attentäters und später nach Österreich, wo er auf Dr. Madeleine Swann (Léa Seydoux) trifft, der Tochter eines ehemaligen Feindes.

Bonds Gegenspieler ist diesmal niemand geringeres als Franz Oberhauser (Christoph Waltz), Kopf einer machtgierigen Organisation namens Spectre. Es dauert eine ganze Weile, bis wir ihn zu sehen bekommen, den Fürsten der Finsternis. Und kaum macht er den Mund auf, hat man ihn, den sogenannten Aha-Effekt. Es ist kein Zufall, wenn man sofort an Hans Landa aus Tarantinos Inglourious Basterds denken muss, jenen Part, für den Waltz seinen ersten Oscar erhielt. Denn das maliziöse Spiel gibt er auch in dieser Rolle zum Besten. Es macht Spaß ihm dabei zuzuschauen, selbst dann noch, wenn er einen dünnen Bohrer lächelnd durch Bonds Schädel treibt, um sein Gedächtnis zu löschen. Ein Rätsel, warum das nicht klappt. Trotzallerdem kann man nur hoffen, dass Waltz nicht irgendwann selbst Opfer seiner brillanten Schauspielkunst wird, wenn er allzu oft in sarkastisch-sadistische Rollen schlüpft, was sein facettenreiches Spiel zu unterminieren droht. Schade ist vor allem, dass er bei einer Laufzeit des Films von 148 Minuten (!) verhältnismäßig selten in Erscheinung tritt, sodass er im Vergleich zu Javier Bardem als Bonds Gegenspieler in Skyfall sein Können nicht oft unter Beweis stellen kann. Weitaus kürzer hingegen fällt der Auftritt von Monica Bellucci aus, lang angekündigt als das älteste Bond-Girl aller Zeiten, nur um dann doch Sacrificium der erotischen Fantasien James Bonds zu werden. Anders verhält es sich mit Léa Seydoux, die weniger Bond´sches Schmuckstück, sondern eher starke Unterstützerin verkörpert.

James Bond 007: Spectre stellt neue Rekorde auf: Monica Bellucci ist mit 50 Jahren, mittlerweile ist sie 51, das älteste Bond-girl aller Zeiten. Das neue Abenteuer flimmert 148 Minuten über die Leinwand und der Zuschauer wird Zeuge der größten Stunt-Explosion aller Zeiten, konzipiert vom britischen Spezialeffekt-Künstler Chris Corbouldt.

Rekorde alleine machen allerdings noch keinen guten Film aus. Der 24. Bond ist wie auch sein unmittelbarer Vorgänger ein ernsthafter Film. Sam Mendes hat mit Skyfall und Spectre seinem James Bond das Heroische durch eine realistischere Charakterisierung, eine zunehmende Vielschichtigkeit und Ambivalenz der Person aufgeweicht. Die Komplexität des Craig´schen Bonds entspricht aber auch einem komplizierter gewordenen Weltgeschehen. Niemand, der klar bei Verstand ist, unterscheidet heutzutage dichotom zwischen Gut und Böse oder Krieg und Frieden. Bond ist weder gut noch böse, genauso wenig wie Oberhauser. Beide sind Opfer von Umständen, an denen sie zerbrochen sind. Den Wahnsinn lebt jeder für sich unterschiedlich aus, beide drehen in gewisser Weise am sogenannten Rad. Nur gut, dass Madeleine Swann Psychologin ist, denn Bond braucht eine. In ausreichendem Abstand, die Ruhe bewahrend und geduldig, sieht sie ihn an. Irgendwann vielleicht, und auf der Couch liegend, wird er sich offenbaren, seelisch versteht sich.

James Bond 007: Spectre läuft seit dem 5. November in den deutschen Kinos.

Beitragsbild: © Sony Pictures Releasing GmbH

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