Wer die bourgeoise Trivialität von Die Regenschirme von Cherbourg im Kino vermisst, darf jubilieren: Damien Chazelle hat den gleichen Film noch mal gedreht.
Vor gut einem halben Jahrhundert drehte Jacques Demy eine farbenfrohe Hommage an das Spießbürgertum und seine naiven Träume. Mit der jungen Catherine Deneuve als Star, einem belanglosen, aber ansehnlichen Hauptdarsteller und schnulzigen Gesangseinlagen. Das vor Schmalz triefende Stück filmisches Boulevardtheater wurde von den Kritikern warm empfangen und vom Publikum ins Herz geschlossen. Heute ist der Film mit seiner romantisierten Bigotterie schier unerträglich anzusehen. Doch alle Hoffnung, dass die einlullende Sentimentalität beim modernen Publikum ihre Wirkung verfehlt, zerschlägt der Erfolg von La La Land. Das Mainstream-Manifest mit zwei Pappmaché-Helden, mit denen zu fühlen das affektierte Szenario unmöglich macht, betäubt zwei Stunden mit tadellos choreografierten Tanznummern, bunten Kostümen und seichten Gesangseinlagen.
Warum eine Handlung verlangen, Charaktere oder einem Hauch Originalität und emotionaler Glaubhaftigkeit, wenn auf der Leinwand Emma Stone und Ryan Gosling in Retro-Outfits vor dem künstlichen Sternenhimmel eines Planetariums tanzen? Sie ist Schauspielaspirantin Mia Dolan, er der leidenschaftliche Jazzpianist Sebastian Wilder. Der Nachname ist in einem Werk, das mit seinen verbalen und visuellen Referenzen an Hollywoodklassiker als kunstaffin ausgibt, natürlich kein Zufall. Sebastian führt Regie in Mias Berufslaufbahn, die er zum Erfolg dirigiert. Stones gibt ihr Bestes in einem Part, der keinen Entwicklungsraum erlaubt und ihr Gesicht unter Weichzeichner versteckt. Das Retuschieren der weiblichen Figuren ist eines von vielen verkappten Zeichen für die Verlogenheit des ach so herzergreifend herausgeputzten Histörchens. Nichts an der Inszenierung ist frisch oder gar gewagt. Regisseur und Drehbuchautor Chazelle maskiert Konventionalismus als Nostalgie, indem er seine Protagonisten von Film- und Jazzlegenden schwärmen lässt.
Den Trugschluss dahinter verrät er selbst in einem Dialog. Die Legenden von heute waren revolutionär zu ihrer Zeit. Traditionalismus besiegelt den Untergang der Kunstrichtung, die er konservieren will. Paradoxerweise scheint es diese ermüdende Repetition sowohl auf dramatischer als auch musikalischer Ebene, die für die Masse den Reiz der hohlen Traumtänzerei ausmacht. La La Land ist einer dieser typischen Festivallieblinge, die kein Nach- oder Mitdenken erfordern, keine unangenehmen Fragen stellen oder ungewohnte Sichtweisen eröffnen. Gerade der Mangel an Perspektiven gibt dem verzuckerten Wunschkonzert einen üblen Beigeschmack wie einer Ladung übersüßten Junk Foods. Als finale Vision vollkommender Glückseligkeit erstrahlt dann auch die weiße bürgerliche Kernfamilie, der alle Ideale von Kunst und Kultur weichen müssen. Die Musicalrevue mag hübsch anzusehen sein, aber ihr fehlt jede emotionale Resonanz.
OT: La La Land
Regie: Damien Chazelle
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2016
Verleih: StudioCanal Deutschland
Länge: 128 min.
Kinostart: 12. Januar 2017
Beitragsbild (c) StudioCanal Deutschland