Cecil Beaton war eine schillernde Figur. Als Modefotograf prägte er das 20. Jahrhundert, als Mensch konnte er oft und gerne anecken. In ihrer Dokumentation versucht Lisa Immordino Vreeland möglichst alle Seiten des 1980 verstorbenen Briten zu zeigen.
Der großen Masse dürfte Cecil Beaton unbekannt sein. In der Mode-Fotografie ist er hingegen eine Institution. Seit den 1920er Jahren prägte der Engländer das Genre wie kein anderer. Ihn allein als Fotograf zu bezeichnen, wäre jedoch alles andere als gerecht. Er war so viel mehr: Schriftsteller, Kostümdesigner, Bühnenbildner, Maler, Illustrator und Dandy. Was davon am ehesten auf ihn zutrifft, konnte Beaton selbst nicht beantworten. In einer der Anfangsszenen von Lisa Immordino Vreelands Dokumentation «Love, Cecil» sagt der Künstler einem Interviewer, dass ihm diese Frage schon immer Kopfzerbrechen bereitet habe.
In Filmausschnitten wie diesen wird sehr schnell klar, dass Beaton zu den schillerndsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts gehörte. Er war exzentrisch, stets extravagant gekleidet, arrogant, provokativ, aber auch charmant und höchst eloquent. Seine jugendliche Vorliebe für stilvolle Outfits führte ihn zur Fotografie. Obwohl er nur mäßig begabt war, stieg er zum Meister seines Fachs auf. Der Engländer brachte sich nicht nur autodidaktisch das Handwerk bei, er suchte auch stets nach neuen Ausdrucksformen, wobei ihm vor allem das Theater als Informationsquelle diente. Diese völlige Hingabe brachte ihm einen gut bezahlten Job bei der Vogue und später mehrere Engagements in Hollywood ein, wo er bei Filmen wie «My Fair Lady» als Bühnenbildner mitwirkte. Zwischendurch arbeitete am britischen Hof und porträtierte die königliche Familie. Eine Karriere wie aus dem Bilderbuch.
Viele Kollegen und Konkurrenten bewundern ihn noch heute. Sie lässt die Regisseurin genauso zu Wort kommen wie andere Zeitzeugen aus der Welt der Kunst. Autoren, Schauspieler, Maler, Vogue-Redakteure und Designer rühmen Beatons Gespür für Stimmung und Hintergrund, vor den er seine Models posieren ließ. Viele seiner Fotografien montiert Vreeland gekonnt mit Archivaufnahmen des Künstlers oder dessen Wirkungsstätten. Manche dieser Bilder ergänzt sie durch Beatons Tagebucheinträge, die der Schauspieler Rupert Everett vorliest. Die geschliffenen, ja poetischen Passagen bezeugen, welch exzellenter Schriftsteller der 1980 verstorbene Brite auch war.
Als Künstler nötigte Beaton so gut wie allen Respekt ab. Als Mensch galt er als höchst umstritten, wie die Dokumentation deutlich vor Augen führt. Manche Zeitzeugen fanden ihn eher schwierig, andere berichten in Interviews, dass Beaton selber mit Passion hassen konnte. Er hatte auch gar kein Problem damit, seine Feinde öffentlich zu nennen. In einem Filmausschnitt zählt er sie auf und wählt das eine oder andere unschöne Adjektiv.
Lisa Immordino Vreeland, die zuvor eine Dokumentationen über die Kunstsammlerin Peggy Guggenheim drehte, versucht in ihrem Film ein möglichst vielseitiges Porträt des Fotografen zu zeichnen. Ebenso bemüht sie sich um eine spannungsreiche Dramaturgie mit Höhen und Tiefen, auch wenn Beatons Leben und Karriere nur eine Richtung kannte. Über einen Mangel Erfolg durfte sich der Brite wahrlich nicht beschweren. Nur ein einziges Mal erlebt er einen Karriere-Sturz, nachdem er in eine Illustration unbedacht das Wort „kike“ einstreute – eine abwertende Bezeichnung für Jude. Beaton stand daraufhin unter Anti-Semitismus-Verdacht und verlor seine Stelle bei der Vogue.
In der Dokumentation wartet man jedoch vergebens, bis der verhängnisvolle Ausdruck erklärt wird. Generell gehört es zu den Schwächen des Films, dass er bisweilen zu viel Bildungs- und Kunstwissen voraussetzt und dadurch an manchen Stellen genauso arrogant wirkt wie sein exzentrischer Held, den er einem größeren Publikum näher zu bringen versucht. Das macht die Regisseurin jedoch durch das Bemühen wett, anhand des Archivmaterials ergründen zu wollen, welchen Begriff Beaton von Schönheit und Kunst hatte. Die Antworten des legendären Fotografen bleiben erwartungsgemäß subjektiv. Das Gleiche kann man von «Love, Cecil» nicht sagen. Die Dokumentation ist überwiegend objektiv, in ihrer Machart eher klassisch – aber durchaus sehenswert.
Kinostart für „Love, Cecil“: 12. Juli
Beitragsbild (c) STUDIOCANAL