Sie bemalte die Wände ihres Hauses, Holzbretter und Backbleche – alles in knallbunten Farben. Ihre Motive: Blumen, Menschen, Tiere. Erst verkauften sich ihre kleinformatigen Werke für zwei bis drei Dollar, dann machte eine TV-Dokumentation sie bekannt und ihre Bilder erzielten fünfstellige Summen. In Kanada gehört die seit Kindheit an schwerer rheumatoider Arthritis und Knochenmissbildungen leidende Maud Lewis (1903-1970) zu den bekanntesten Folk-Art-Künstlern, ihre Arbeiten hängen in renommierten Museen.
Die irische Regisseurin Aisling Walsh hat mit dem Drama „Maudie“, das bei der diesjährigen Berlinale in der Sektion Special lief, nun das Leben der gehandicapten Künstlerin verfilmt – und daraus eine wunderbare Liebesgeschichte zwischen Maud (Sally Hawkins, „Happy-Go-Lucky“) und dem verschrobenen Fischhändler Everett Lewis (Ethan Hawke) gemacht. Walsh gelingt dabei – auch dank zweier großartiger Hauptdarsteller – das Kunststück, ein extrem bewegendes Drama zu erzählen, ohne je rührselig oder kitschig zu werden.
Die Handlung spielt in der kanadischen Provinz der 30er Jahre: Die zierliche, humpelnde Maud ist einsam und durch ihre Krankheit eingeschränkt, aber kämpferisch und willensstark. Als ihr Bruder das Elternhaus verkauft, muss sie zu ihrer Tante Ida ziehen, die ihrer kränklichen Nichte nichts zutraut. Als Maud mitbekommt, dass der eigenbrötlerische Fischer Everett eine Haushälterin für seine heruntergekommene Hütte sucht, bewirbt sie sich. Da es keine weiteren Anwärterinnen für den Job gibt, stellt Everett die junge Frau ein.
„Sie zivilisiert ihn“
Das Zusammenleben der beiden Außenseiter auf engstem Raum ist gewöhnungsbedürftig. Everett ist unhöflich, unfreundlich, fast gemein: „Erst komme ich, dann die Hunde, dann die Hühner, dann du“, erklärt er Maud. Eine zupackende Haushälterin ist die bucklige und oft an eine greise Frau erinnernde Maud tatsächlich nicht. Stattdessen beginnt sie zu malen, produziert Postkarten und kleine Leinwände wie am Fließband und verschönert nach und das ganze Haus mit ihren bunten Bildern. Als die zugezogene New Yorkerin Sandra auf ihre Kunst aufmerksam wird, findet Maud nicht nur eine Freundin, sondern fast eine Art Mäzenin, die sie zu einer kleinen Berühmtheit macht. Die Kartoffeln schält jetzt Everett.
Zu dem Zeitpunkt sind sich Maud und Everett indes längst näher gekommen und haben geheiratet, auch wenn die Beziehung spröde und ungelenk bleibt. „Am Anfang ist er ein Wilder“, beschrieb Regisseurin Walsh bei der Berlinale ihren Protagonisten. „Sie zivilisiert ihn“. Worte tauscht das kauzige Paar dabei kaum aus, die spitzbübische Maud scheint den eigensinnigen Provinzler allein mit ihrer Präsenz und ihrer Mimik zu bezwingen – was dem Film viele amüsante Szenen schenkt. Wäre „Maudie“ im Wettbewerb gelaufen, wäre Hawkins vermutlich mit einem silbernen Bären nach Hause geflogen.
Kinostart für „Maudie“ ist der 26. Oktober 2017.
Der Trail zu „Maudie“:
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Foto: Duncan Deyoung, Courtesy of Mongrel Media