„Mr. Robot“ (2015) Staffel 1 Kritik: Wahn und Wirklichkeit

Bernhard 7. Dezember 2015 2
„Mr. Robot“ (2015) Staffel 1 Kritik: Wahn und Wirklichkeit

Seit Netflix mit der Eigenproduktion „House of Cards“ einen Hit gelandet hat, setzen immer mehr Streaming-Dienste auf dieses Format, frei nach dem Motto „Wir machen es selbst am besten“. Auch Amazon konnte mit „Bosch“ eine gelungene Krimi-Serie aus dem eigenen Haus abliefern. Doch das ist wohl erst der Anfang: Schon ab Mitte Oktober konnte man in ganz Deutschland großformatige Poster mit einer Anonymus-ähnlichen Maske und dem Titel „Mr. Robot“ bestaunen, die Erwartungen waren natürlich dementsprechend groß. Vom 20. November an konnte man die 1. Staffel von „Mr. Robot“ dann auf Amazon Prime anschauen

Elliot Alderson (Rami Malek) ist ein menschenscheuer, sozial inkompatibler Programmierer bei der großen Sicherheitsfirma Allsafe. Er führt jedoch ein Doppel-Leben: Elliot gehört zu den besten Hackern der Welt, nutzt seine Fähigkeiten meist jedoch nur dazu, seine Mitmenschen auszuspionieren und Kleinkriminelle der Polizei zu übergeben. Um seine Einsamkeit auszuhalten, nimmt er Morphium. Elliots tristes, aber ruhiges Leben gerät aus den Fugen, als ihn eine Underground-Hackergruppe kontaktiert. Deren Anführer Mr. Robot (Christian Slater) hat vor, das Konzern-Konglomerat E Corp (von Elliot nur Evil Corp genannt) zu hacken und so die größte jemals dagewesene Finanzkrise auszulösen. Hin- und hergerissen zwischen der Möglichkeit, dem verhassten Unternehmen, dass für den Krebstod seines Vaters verantwortlich ist, endgültig den Garaus zu machen, und seiner Verantwortung für Allsafe, verstrickt sich Elliot in zunehmend unkontrollierbare Situationen. Je weiter die Serie voranschreitet, desto unklarer wird, was Realität und was Halluzinationen von Elliots paranoiden Geist ist.

„Mr. Robot“ verbindet Elemente der aktuellen Krise um globale Vorratsdatenspeicherung mit der Charakterstudie eines kranken Geistes á la „Fight Club“. Durch die Erzählung auf mehreren Ebenen verschwimmt sehr schnell die Grenze zwischen Richtig und Falsch, Gut und Böse. Da ist nämlich zum einen Elliots Chef Gideon Goddard (Michael Gill), eine gutmütige, dauergestresste Reinkarnation von Steve Jobs, und Elliots einzige Freundin Angela Moss (Portia Doubleday). Um ihre Jobs zu sichern, muss Allsafe bestehen bleiben, allerdings ist der größte Kunde der Sicherheitsfirma wiederum E Corp, die Elliot stürzen will. Seine Nachbarin und Drogen­lieferantin Shayla (Frankie Shaw) wird von dem Kleinkriminellen Fernando Vera (Elliot Villar) drangsaliert, von dem aber Elliots Nachschub an Morphium abhängt.

Zudem geht es auch in der Hackergruppe um Mr. Robot alles andere als harmonisch zu. Nicht nur einmal fragt sich Elliot deshalb, ob er all den Problemen und Konfilkten gewachsen ist. Denn zu allem Überfluss betritt auch noch der aufstrebende E Corp– Mitarbeiter Tyrell Wellick (Martin Wallström) die Bühne, der Elliots Brillanz schnell begreift und den Hacker für seine Zwecke einsetzen möchte.

In „Mr. Robot“ geht es nicht allein darum, zu unterstreichen, wie viel Einfluss digitale Kriminalität auf Politik und Wirtschaft haben kann, im Guten wie im Schlechten. Vielmehr erforscht die Serie die Gefühlswelt eines selbstgewählten Eigenbrötlers und Eremiten, der in der heutigen Zeit, wo jeder über soziale Netzwerke sozusagen dazu gezwungen ist, irgendwie sozial kompatibel zu sein, an seiner Isolation verzweifelt. Die Angreifbarkeit durch die Digitalisierung unseres Lebens zeigt sich auch in der Leichtigkeit, mit welcher Elliot alles über seine Mitmenschen erfährt, während er selbst keine Spuren im Netz hinterlässt. Seine mentale Unschlüssigkeit rührt nicht nur von den zwickmühlenartigen Entscheidungen her, die er zu treffen hat, sondern auch aus seiner Vergangenheit; der Vater, einziger Freund, starb früh an Krebs, sodass Elliot seiner unnachgiebigen, brutalen Mutter ausgesetzt war. Doch nicht nur Elliot hat einige Leichen im Keller: Kaum jemand der anderen Charaktere trägt nicht tief in der Seele seine ganz eigene Bürde mit sich herum. Sogar der arrogante, scheinbar unglaublich erfolgreiche Tyrell Wellick verbirgt unter der glänzenden Oberfläche eine brodelnde Wut, die er immer schlechter kontrollieren kann.

Elliot (Rami Malek) und Mr. Robot (Christian Slater)(c) NBCUniversal Television DistributionKonspiratives Treffen zwischen Elliot (Rami Malek) und Mr. Robot (Christian Slater)

Neben unterschiedlichster Charakterstudien vermittelt „Mr. Robot“ Einblicke in die US-amerikanische Unternehmenswelt. E Corp ist ein orwellscher Gigant, der wie ein Staat im Staat alle Produkte, die man als Bürger braucht, zur Verfügung stellt und so auch die Politik kontrolliert und Bürger manipuliert. Geführt von gierigen, schmierigen und arroganten Geschäftsleuten, trifft Elliots Spitzname für den Konzern, Evil Corp, den Nagel auf den Kopf. Dem gegenüber steht die rechtschaffene, mittelständische Sicherheitsfirma Allsafe, dessen CEO Gideon Goddard als ausgelaugter Paladin nur das Beste für seine Belegschaft will. Natürlich macht es sich „Mr. Robot“ hier zu einfach, stellt damit jedoch zum einen klar, dass es sich um überzeichnete Fiktion handelt, die so gesellschaftskritische Relevanz bekommt, die zum anderen aber auch von Elliots Sicht auf die Welt beeinflusst ist. Denn mit zunehmender Sendezeit wird klar, dass „Mr. Robot“ ein Mosaik ist aus neutralen Eindrücken und Elliots Fantasien, die durch einen Morphium-Entzug noch verschlimmert werden.

Alles in allem ist die 1. Staffel von „Mr. Robot“ überaus gelungen, auch weil jede Folge für eine unerwartete, nicht aber unrealistische Wendung zu haben ist und man als Zuschauer gerade gegen Ende mit offenem Mund und einer Gänsehaut zurückgelassen wird. Man darf auf Staffel 2 gespannt sein.

Beitragsbild und Video (c) NBCUniversal Television Distribution

[schema type=“review“ url=“http://www.filmverliebt.de/mr-robot-2015-staffel-1-kritik-wahn-und-wirklichkeit/“ name=“Mr. Robot“ rev_name=“Mr. Robot“ author=“Bernhard“ pubdate=“2015-12-07″ user_review=“4″ min_review=“0″ max_review=“5″ ]