„Réalité“: Kurzkritik zu Quentin Dupieux‘ neuem Werk

Benedikt Brosowski 8. September 2015 0
„Réalité“: Kurzkritik zu Quentin Dupieux‘ neuem Werk

Ob musikalisch, aber vor allem filmisch, für Quentin Dupieux (aka Mr. Oizo) ist immer Platz im Herzen und Terminkalender. So kam es also nun, dass am letzten Tag des Fantasy Filmfestes 2015 sein neuester Streifen Réalité gezeigt wurde.

Der Regisseur selbst spricht von seinem besten Werk. Das darf widerstandslos unterschrieben werden. Auch Tage nach dem Festival hat man es nicht ganz verstanden, nicht verstanden auf wie vielen und welchen Realitätsebenen der Film stattfindet. Aber allein die Tatsache, dass er stattfindet, nimmt einem den Atem. Wirklich baff. Da will man gar nicht viel Worte verlieren. Wer Wrong Cops gesehen hat, wird einige Schauspieler wieder erkennen. Wer Napoleon Dynamite gesehen hat auch. Und natürlich, wer die Realverfilmungen von Asterix & Obelix kennt.

Ein Versuch der inhaltlichen Zusammenfassung

Der Kameramann Jason (der fabelhafte Alain Chabat, seines Zeichens Franzose) will einen eigenen Film machen. Seine Idee ist unwahrscheinlich billig und oberflächlich: Die Fernseher der Welt machen alle Menschen erst durch ihre elektrostatischen Wellen dumm und dann bringen sie sie um, indem ihre Köpfe explodieren.

Ein Bekannter und ehemaliger Chef Jasons (Jonathan Lambert, ebenfalls Franzose) will den Film produzieren. Er ist von der Idee überzeugt, aber nur, wenn Jason den perfekten Schmerzlaut der sterbenden Menschen findet. Jason also, verbringt Tage vor seinem Diktiergerät und schreit qualvolle Töne hinein, um das beste akustische Schmerzempfinden zu entdecken. Parallel gibt es ein kleines Mädchen (Kyla Kenedy, Amerikanerin), was den Jagd- und Erziehungsgewohnheiten seiner Eltern nicht traut. Genauso wenig seinen Augen, als es den Schuldirektor (der unvergessliche Eric Wareheim, Amerikaner) in Frauenklamotten auf einem Militär-Jeep sieht. Für diesen, ist das nur ein Traum, keine Realität. Weiter im Text. Das kleine Mädchen mit dem einfallsreichen Namen Reality wird die ganze Zeit vom Regisseur Zog (John Glover, auch Amerikaner) gefilmt. Dieser widerum führt diesen Film im Auftrag von Jasons Produzenten-Freund durch. Zu dessen Unzufriedenheit, denn Zog lässt die Rolle lieber laufen und inszeniert nicht, sondern wartet z.B. ab, bis Reality wirklich eingeschlafen ist.

Eines Tages geht Jason mit seiner Frau (Élodie Bouchez, Französin) – sie ist übrigens die Therapeutin vom Schuldirektor – ins Kino und schaut den Film, der eigentlich aus seiner Idee heraus entstanden ist. Verwirrend, denn Jason hat immer noch nicht den richtigen Aufschrei gefunden, sodass sein Streifen eigentlich gar nicht produziert werden konnte. So kommt es wohl zu dem wahrhaftigsten Satz, den Jason den Kinozuschauern aller Ebenen ins Gesicht wirft: „This movie doesn’t really exist!“

Anschließend ruft Jason bei seinem Produzenten an und erklärt ihm die Situation, dieser führt aber gerade das gleiche Verhandlungsgespräch mit Jason wie am Anfang des Films. Das alles passt nicht zusammen. Immer wieder überschlagen sich Ereignisse, Verbindungen, Wahrheiten und Träume.

Sein bestes Werk

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Im Vergleich zu seinem letzten Film Wrong Cops ist Dupieux wieder auf philosophischer Hochgeschwindigkeit wie bei Rubber und Wrong. Greift diesmal dafür jedoch nicht auf eigen komponierte Musik zurück. Man hört fast ausschließlich am Stück Philip Glass‘ Music with changing Parts. Auch der Zuschauer-Kopf darf dann irgendwann explodieren. Spätestens beim Öffnen der Büchse der Pandora (in diesem Falle eine blaue VHS-Kassette).

Das alles flasht. Denn cinematographisch und auch textlich ist Quentin Dupieux ein reinstes Genie. Aufgrund der Diversität von Muttersprachlern ist es ein Tutti Frutti der anglo- und francophilen Satzbausteine. Und aufgrund der gewaltigen Ausdruckskraft, die durch Dupieux‘ Kamera den Weg zu uns findet, ist der Film ein ästhetisches Opus Dei. Nur eben von Menschen. Wir verbeugen uns und schreien laut: Wir sind unwürdig!

Video und Beitragsbild: © Realitism Films

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