„Ruhet in Frieden – A Walk Among the Tombstones“ Kritik: Düsterer New York-Noir

Bernhard 23. Juli 2015 0
„Ruhet in Frieden – A Walk Among the Tombstones“ Kritik: Düsterer New York-Noir

Liam Neeson ist dafür bekannt, den grauen, müden Einzelkämpfer in diversen Action-Thrillern zu spielen. Auch 2014 war er in vier Großproduktionen zu sehen.

In der zweifellos anspruchsvollsten davon, der Romanadaption nach dem gleichnamigen Roman von Lawrence Block „Ruhet in Frieden – A Walk Among The Tombstones“, spielt er einen Privatdetektiv, der im New York von 1999 zwei Serienmörder jagt, die ihre Opfer kidnappen, von den Angehörigen horrendes Lösegeld verlangen und die Geiseln nach der Zahlung bestialisch ermorden.

Matthew Scudder (Neeson) ist ein ehemaliger Polizist, der den Dienst aufgrund einer persönlichen Tragödie aufgegeben hat. Seine desillusionierte Art lässt ihn erfolgreich und geradlinig ermitteln, dabei treibt er einen Verdächtigen sogar in den Selbstmord. Schnell findet er heraus, dass die Killer schöne Frauen von Drogenschmugglern kidnappen und töten. Ihr nächster soll gleichzeitig ihr perfidester Coup werden: Die minderjährige, lolitahafte Tochter eines russischen Drogenbarons.

Der Plot und die Rolle sind auf Neeson perfekt zugeschnitten. Dies ist vielleicht die Schwäche des Film: Alles wirkt sehr routiniert, so haben wir Neeson schon oft gesehen, gut, überzeugend, aber auf keinen Fall außergewöhnlich. Neesons Minenspiel variiert von verbissen zu melancholisch und zurück, der Zuschauer darf nicht mit einer Neudefinition der Schauspielkunst rechnen.

Die Geschichte ist von ähnlicher Qualität: spannend, mit einem eher schwachen Finale und einer sich entwickelnden Freundschaft zwischen dem Detektiv und einem jungen, hochintelligenten afroamerikanischen Straßenjungen TJ (Brian „Astro“ Bradley). Die beiden Serienmörder (David Harbour, Adam David Thompson) sind ebenfalls nach dem Klischee konstruiert, alleinstehend, schmierig-freundlich, das Grauen von nebenan.

Das alles haben wir so oder so ähnlich nicht nur einmal gesehen, und man könnte meinen, der Film gehöre zu jener Sorte Machwerk, die dem grauen Mittelmaß anzurechnen sind.

Matthew Scudder (Liam Neeson) und TJ (Brian "Astro" Bradley) (c) Universal Pictures Zwei Antihelden beim Essen: Scudder (Neeson) und TJ (Brian “Astro” Bradley) (c) Universal Pictures

Trotz alledem weist er filmtechnische und erzählerische Elemente auf, die ihn aus der Masse der durchschnittlichen Neo-Noir-Thriller herausheben. Unter anderem zählt dazu die selten auftretende, aber absichtlich eingesetzte, surreale und rabenschwarze Komik: Da sieht man das nächste Opfer der Mörder, jenes junge Mädchen, in Zeitlupe und von lockerem Pop begleitet, an ihren zukünftigen Peinigern vorbeischweben und ihnen sogar zuwinken. Aber auch die Darstellung des spätherbstlichen New York von `99 ist durch kantige, farbarme, fast zugig anmutende Aufnahmen gelungen. Man möchte beinahe seinen imaginären Mantel zuknöpfen und den Kragen gegen den unerbittlichen Wind aufstellen.

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Der Kontrast zwischen den reichen, prunkvoll eingerichteten Häusern der Dealer und den heruntergekommenen Seiten von Greenwich Village, dem heutigen Hipsterviertel Manhattans, durch die graustichigen Bilder noch trostloser erscheinend, markiert ebenfalls ein surreales Moment. Und schließlich die Häuser und Hauseingänge der Schauplätze, die oft wie Fotografien, frontal, schlicht, aber dadurch ausdrucksstark aufgenommen sind. Das vielleicht stärkste Bild des Films ist die Abschluss-Totale, die wirklich wie ein Gemälde des Amerikanische Hyperrealismus aussieht, nur der sich bewegende Rauch aus den Backsteinschornsteinen zerstört die Illusion.

Neben diesen Standbildern zeigt Regisseur und Drehbuchautor Scott Frank allerdings auch gelungene Sequenzen, die mit wenigen Schnitten auskommen und in einem Guss daherkommen. Cineastisch ist der Film folglich erstaunlich vielseitig, und TJ, der junge Freund von Scudder, lockert durch seine lakonischen Sprüche die sonst starre Handlung auf und ist der Sympathieträger schlechthin.

„Ruhet in Frieden – A Walk Among The Tombstones“ ist nicht so durchschnittlich, wie Plakat und Trailer es vermuten lassen, schöpft sein Potential allerdings nicht vollkommen aus, weil Liam Neeson in der Rolle des Einzelkämpfers mit düsterer Vorgeschichte schon eine etwas starre Routine entwickelt hat.

Alles in allem ein sehenswerter Neo-Noir-Thriller, der das Genre aber nicht neu erfindet.

*Affiliate-Link / Beitragsbild und Video (c) Universal Pictures

„Ruhet in Frieden – A Walk Among the Tombstones“ Kritik: Düsterer New York-Noir

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