Die Zeit heilt angeblich alle Wunden. „Das ist eine große Lüge“, sagt Wim Wenders, „Es ist nicht die Zeit, die die Wunden heilt, man muss selbst etwas tun.“ Der Regisseur stellte am Dienstag bei den 65. Internationalen Filmfestspielen Berlin seinen neuen Film „Every Thing Will Be Fine“ vor, der im Wettbewerb außer Konkurrenz läuft. Seit seiner Oscar-nominierten Tanzdokumentation „Pina“ (2011) über die verstorbene Chefin des Wuppertaler Tanztheaters, Pina Bausch, hat Wenders ein Faible für Dreidimensionales – und so filmte er fern der Genres Action und Animation das Drama mit James Franco und Charlotte Gainsbourg in 3D.
Heilung sei „das große Thema seines Films“, betonte Wenders („Der Himmel über Berlin“), der 2015 mit dem Goldenen Ehrenbären und der Hommage der Berlinale gewürdigt wird, vor Journalisten. Es gebe viele Filme über das Verletztwerden, nicht aber über das Heilen.
In „Every Thing Will Be Fine“ muss der Schriftsteller Tomas (Franco) mit einer großen Schuld fertig werden: Er hat auf eisglatter Straße einen kleinen Jungen auf einem Schlitten überfahren. Ohne dass Tomas im strafrechtlichen Sinn schuldig ist, muss er mit den Erinnerungen an den tragischen Unfall leben – und ist untrennbar verbunden mit dem Leben der fremden Familie, Kate (Gainsbourg) und Christopher, die Sohn und Bruder verloren hat.
Tomas findet nur schwer ins Leben zurück, die Beziehung zu seiner Freundin Sara zerbricht. Er sucht Kate auf und schwört, alles zu tun, was helfen könne. Kate ist sanft und gütig, sie hasst Tomas nicht, sondern sucht Frieden für sie beide. Zudem flüchtet Tomas sich in den Job, das Schreiben. Mit jedem Roman wird er besser, sein Verleger feiert ihn. Christopher wird ihm das später vorwerfen: Deine Romane vor dem Unfall waren nicht so gut. Als Tomas nämlich wieder Fuß fasst und eine eigene Familie hat, klopft die Vergangenheit wieder an.
„Every Thing Will Be Fine“ folgt über zwölf Jahre Tomas‘ Versuch, dem Leben wieder einen Sinn zu geben und sich selbst zu verzeihen. Als Christopher sich entschließt, den fremden Unfallfahrer wiederzusehen, ist er 17 Jahre alt. Das Drama schildert das Innere seiner Charaktere dabei leise und minimalistisch. Der 69 Jahre alte Wenders, der bis heute zu den großen Erneuerern des Kinos zählt, setzt für die Effekte voll auf 3D. „3D vergrößert doch alles, auch die Emotionen“, sagte er am Dienstag vor Journalisten. „Man kann die Präsenz eines Menschen ganz anders spüren. 3D ist wie eine Lupe, die man über etwas hält.“
Und tatsächlich lebt der Film zum großen Teil von der Intimität und Nähe zu den Protagonisten. Trotz Starbesetzung mit Franco – der bei der Berlinale übrigens gleich in drei Filmen zu sehen ist – und Gainsbourg stellt sich die Frage, ob die Geschichte über Schuld und Vergebung den Spannungsbogen sonst über zwei Stunden gehalten hätte. Vermutlich eher nicht. Dennoch: Es wäre preisverdächtig, wie Wenders das Dreidimensionale konsequent in das Arthouse-Kino überführt. Aber leider läuft der Film ja außer Konkurrenz.