Siren Kritik: Ein modernes Märchen

Mirjam Maier 23. März 2016 0
Siren Kritik: Ein modernes Märchen

Schöne, verführerische Frau, so definiert Deutschlands gelbes Wörterbuch eine Sirene. Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters und genau damit spielt Regisseur und Drehbuchautor Jesse Peyronel. Seine Sirene Leigh (Vinessa Shaw) schüttet ein Pheromon aus, das eine mehr als anziehende Wirkung auf Männer ausübt. Für jeden Mann tritt sie anders in Erscheinung und zieht ihn in ihren Bann. Ein eingeblendeter Zeitungsausschnitt lässt den Zuschauer früh wissen, dass sie für Leigh zu schwerwiegenden Taten bereit sind. Ihre besondere biologische Eigenschaft ist für die junge Frau ein Fluch und treibt sie dazu, sich von den Menschen abzuschotten. Dies ist auch nötig, um der drohenden Gefahr zu entgehen, als Versuchskaninchen zu enden. In der Idylle der Natur lebt Leigh in einem Haus, das von Blumen umgeben ist, die ihren Geruch überdecken sollen. Was die Assoziation mit Freiheit wachruft, stellt für Leigh das Gegenteil dar. Bereits zu Beginn des Films lenkt das Lied Where in the World von Midge Williams die Aufmerksamkeit auf ihre Sehnsucht nach der Welt außerhalb ihres mit Kameras gesicherten Hauses und die Sehnsucht nach menschlichem Kontakt.

Dieser lässt nicht lange auf sich warten und tritt in Form des fahnenflüchtigen Guy (Rob Kazinsky) in Erscheinung. Nachdem ein Sturm Leighs Kameras lahmgelegt hat, findet sie in Guy den ersten Mann, auf den ihr Geruch keinen Effekt hat und der sich dazu bereit erklärt, sich um die Elektrik zu kümmern. Weder dass Guy etwas verbirgt noch dass sich die beiden näher kommen, dürfte eine Überraschung sein. Die vorhersehbaren Elemente des Films stören jedoch wenig und werden durch humorvolle Momente wettgemacht, die von der Chemie der beiden Schauspieler zehren. Wie genau sich Leighs Pheromon auf Männer auswirkt, wird am Beispiel von Carl (Ross Partridge) gezeigt, der aufgrund seiner Faszination für Leigh seine Ehe mit Agnes (Bess Wohl) aufs Spiel setzt. Neben Leigh und Guy sind sie die wenigen Personen, die die Geschichte tragen.

Getragen wird der Film außerdem von der idyllischen Umgebung, die dem Ganzen etwas märchenhaftes verleiht. Leighs medizinisches Wissen und die Utensilien, die sie benötigt, um ihr Blut an einen Parfumhersteller zu verkaufen, wie auch ihr „Hexenhaus“ unterstreichen die Elemente eines Märchens und greifen den Mythos der Hexe aus dem Mittelalter auf. Auch Leighs rotes Haar ist dafür evident. Ob man sie nun als Hexe oder Sirene bezeichnen mag, deutlich wird, dass sie diejenige ist, der Unrecht getan wird. Männer reagieren mit Gewalt auf ihre unerwiderte Liebe, Frauen mit Hass. Um sich außerhalb ihres Zuhauses zu schützen, muss sie eine Kutte tragen, was an die religiöse Verschleierung der Frau erinnert. Der Film gibt, wenn man es möchte, einen Denkanstoß im Hinblick auf das gesellschaftlich konstruierte Bild der Frau und den Umgang mit dem weiblichen Geschlecht. Schön zu sehen ist dabei, dass Leigh, wenn auch eingeschränkt (ohne einen Ritter geht die Figur der Jungfrau in Nöten schließlich nicht auf) in der Lage ist, sich zu wehren.

Jesse Peyronel setzt auf ruhige Bilder und wenig Action und lässt dem Zuschauer viel Zeit, das Erzählte auf sich wirken zu lassen. Leider schwächelt der Film im letzten Teil. Es werden alle losen Enden  verknüpft, doch die Zeitspanne, in der dies geschieht, ist kurz und das Tempo, in dem die Ereignisse aufeinander prallen, zu hoch, worunter die Glaubwürdigkeit der einzelnen Handlungsstränge leidet. Dennoch ist der Film mit Sicherheit keine Zeitverschwendung und lohnt einen Blick.

Beitragsbild (c) Osiris Entertainment

Siren Kritik: Ein modernes Märchen

4 (80%) 1 vote[s]