Kritik zu Jafar Panahis neuem Film „Taxi Teheran“: Teheran aus der Straßenperspektive

Nadine Emmerich 6. Februar 2015 0
Kritik zu Jafar Panahis neuem Film „Taxi Teheran“: Teheran aus der Straßenperspektive

Der iranische Regisseur Jafar Panahi ist ein Überlebenskünstler, der sich seinen Job nicht verbieten lässt. Trotz seines Berufsverbots von 20 Jahren ist es dem regimekritischen Filmemacher erneut gelungen, heimlich einen Film zu drehen – einen sehr amüsanten und bisweilen fast klamaukigen. „Taxi Teheran“ wurde am Freitag im Wettbewerb der 65. Berlinale vorgestellt. In dem Film sitzt Panahi persönlich am Steuer eines Taxis, dessen Fahrgäste sehr viel über das Land und seine Leute – und auch seine Filmzensur offenbaren.

Panahi gehört inzwischen fest zu den Internationalen Filmfestspielen Berlin dazu. Für seinen ebenfalls heimlich gedrehten Film „Geschlossener Vorhang“ bekam er 2013 einen Silbernen Bären für das Drehbuch, durfte aber nicht zur Preisverleihung ausreisen. Auch als er 2011 einen Platz in der Internationalen Jury hatte, ließ ihn der Iran nicht das Land verlassen.

Festivaldirektor Dieter Kosslick lädt Panahi indes Jahr für Jahr nach Berlin ein – bis er vielleicht endlich mal kommen dürfe, so Kosslicks Hoffnung. So lange das nicht der Fall ist, nutzt der Berlinale-Chef nach eigenen Worten seine „geheimen Kanäle“, mittels derer auch der neue Film Panahis „plötzlich auf seinem Schreibtisch“ landete. Mit dem iranischen Regimekritiker im Wettbewerb zementiert die Berlinale ihr Image des politischen Filmfestes.

Im Sammeltaxi des Regisseurs nehmen die verschiedensten Menschen Platz. Sie alle plaudern sehr offen mit dem Fahrer, als wäre dieser nicht Fremder, sondern Vertrauter. Eine Kamera auf dem Armaturenbrett nimmt die Fahrten durch Teheran auf. Fast wirkt „Taxi“ wie ein Dokumentarfilm. Ein Straßenräuber und eine Lehrerin diskutieren hitzig über die Scharia: Der Mann ist für noch mehr Hinrichtungen, als abschreckendes Beispiel. Die Frau ist entsetzt: Man sehe doch, das führe nicht zu weniger Kriminalität. Eben, kontert der Mann, noch nicht genug abgeschreckt.

Ein Händler mit Raubkopien von US-Filmen und – Serien freut sich wie Bolle, als er Panahi erkennt – und gibt den Taxi fahrenden Regisseur bei seinen ins Auto steigenden Kunden prompt als „Partner“ aus. Das belebe seine „kulturellen Geschäfte“, rechtfertigt sich – ohne ihn kein Woody Allen im Iran. Eine hysterisch weinende Frau schleift ihren blutüberströmten Mann in den Wagen, der mit Panahis Handy schnell noch per Video sein Testament festhält. Zwei alte, abergläubische Frauen müssen ihre Goldfische im Glas bis zwölf Uhr zu einer Quelle bringen – sonst sterben sie.

Und schließlich steigt Panahis kleine Nichte ein. Die muss für die Schule einen „vorzeigbaren“ Film drehen. Die Lehrerin hat alle Regeln diktiert, dazu gehören: keine Schwarzmalerei, am besten Namen der heiligen Imame verwenden, außerdem nichts über Politik und Wirtschaft machen. Panahi kommentiert die Auflagen nicht.

Offen bleibt bis zum Schluss, ob die Insassen tatsächlich alle Schauspieler oder einige gar reale Fahrgäste sind. „Taxi“ hat übrigens keinen Abspann. Nur „vorzeigbare“ Filme bekämen im Iran einen Abspann, heißt es stattdessen.

Beitragsbild: Jafar Panahi als Taxifahrer in Taxi (2015)

Zur Premiere konnte Jafar Panahi nicht erscheinen. An seiner statt gingen seine Frau und seine Nichte über den roten Teppich von Berlin:

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