Kann eine Krimiserie Erfolg haben, wenn ausgerechnet der behandelte Fall der Schwachpunkt ist? Offensichtlich, denn bei der gefeierten Serie „True Detective“ tritt genau das ein. Ein ritueller Serienmörder, mächtige Strippenzieher im Hintergrund und mal wieder dürfen junge Frauen als Opfer herhalten. Zusätzlich sorgen zwei ungleiche Cops für die bekannte Buddy-Komponente, bei denen einer gegen alle Widerstände auf eigene Faust ermittelt. Kennt man irgendwie, hat man irgendwo schon einmal gesehen. In der Krimi-Flut unserer Zeit ist es aber ohnehin schwer, hier noch neue Akzente zu setzen. Zumal sich ganze acht Folgen um einen detaillierten Fall drehen, wodurch Erwartungen aufgebaut werden, die am Ende nur enttäuscht werden können. Nach acht Stunden Spielzeit muss es schon die große Offenbarung sein, dabei hat „True Detective“ diese bereits zuvor geliefert.
Auf den Spuren von Fincher
Die Serie hat den Anspruch, tief in menschliche Abgründe zu blicken. Die trostlosen, leeren Aufnahmen der Felder und Sümpfe von Louisiana sind dabei symptomatisch für die Charaktere. Jeder scheint gebrochen, jeder hat sein Päckchen zu tragen und stapelt seine Leichen im Keller. Es geht um Einsamkeit, Verlust, Verrat, eben um den Schmerz, der das Leben mit sich bringt, wenn man ihm die Farbe raubt. Stilistisch erinnert die Serie an David Fincher in seinen dunkelsten Momenten. Alles erstickt in schwarz und grau, selbst helle Töne wirken ausgebleicht und verwaschen. Den Spaß sucht man hier vergebens, allerdings ist das auch nicht das Ziel. Vielmehr soll sich ein erdrückender Schleier auf den Zuschauer legen, der ihn dazu zwingt weiterzusehen. Denn irgendwo in diesem finsteren Bild, muss es doch helle Momente geben. Wie „Sieben“, bei dem man bis zum Ende hofft, dass es einen Lichtblick gibt, den man dem vorherigen Schrecken entgegenhalten kann. Womit wir wieder bei Fincher wären.
Tiefgründige Monologe wollen gelernt sein
Vielleicht wäre jedoch der Vergleich zu Christopher Nolan passender, nicht nur bezüglich der Farbgebung. Der Regisseur der „Dark Knight“-Trilogie ist stets bemüht, philosophische Gedanken in die Münder seiner Figuren zu legen, selbst wenn dies distanzierend wirken kann. Bei „Interstellar“ ist es durchaus befremdlich, wenn Matthew McConaughey als Farmer über den Sinn der Menschheit referiert. In „True Detective“ sind solcherlei Exkurse glaubhaft, da sie die Figur von McConaughey als Rustin Cohle definieren. Seiner Meinung nach ist der Mensch ein Fehler der Evolution, da er sich seiner Existenz bewusst ist und gegen die natürliche Ordnung handelt. Ansichten dieser Art können leicht dazu führen, dass ein Charakter unglaubwürdig scheint und keine Verbindung zu ihm aufgebaut werden kann. Doch genau hier unterscheidet sich „True Detective“ von Nolan, selbst wenn sie ähnliche Mittel anwenden. Rustin Cohle hat eine Vergangenheit, die seine Ansichten nachvollziehbar machen, zumal seine philosophischen Erörterungen allumfassender sind. Er ist Nihilist, Misanthrop, vermeidet die Anwesenheit von Menschen, da er seine Erfahrungen mit ihnen gemacht hat. In all dem erscheint er nicht unsympathisch, sondern in seinem Innersten zerbrochen und damit bemitleidenswert.
Der tabulose Ehemann sorgt für Normalität
Die Aufgabe von seinem Kollegen Woody Harrelson ist es, die Geschichte zu erden und als Martin Hart einen Kontrast zu dem pessimistischen Cohle zu erzeugen. Dies gelingt Harrelson hervorragend, alle aufheiternden Momente werden in seiner Anwesenheit erschaffen, wobei er dennoch das interne Schaulaufen gegen seinen Partner verliert. Allerdings hat er ohnehin die weniger interessante Rolle erhalten, die über das Bild des fremdgehenden Cops nicht hinauskommt, was keineswegs neu ist. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass die Chemie zwischen beiden Hauptdarstellern stimmt und dies sowohl im Konflikt als auch in Harmonie.
Intelligent und komplex. Bitte mehr davon!
Die Stärken der Serie liegen demnach deutlich in den Charakteren und ihren Beziehungen zueinander und damit abseits der Polizeiarbeit. Dadurch lohnt sich „True Detective“ selbst für diejenigen, die Krimis andernfalls meiden. Spannung baut die Serie überdies weniger durch genretypische Aspekte auf, sondern eher durch die Erzählstruktur. Das Gros der Folgen ist in zwei Zeitebenen unterteilt, was durchaus tückisch sein kann. Wenn man Cohle und Hart im Jahr 2012 sieht, weiß man, dass sie brenzlige Situationen im Jahr 1995 überstehen werden. In solchen Momenten geht es deswegen nicht um billige Effekthascherei, sondern um stilistische Experimente, die sich beispielsweise durch sechs-minütige One-take-shots auszeichnen.
Dadurch, dass die Zeitebenen gleichzeitig gezeigt werden, sollen eher Fragen aufgeworfen werden. Was ist zwischen Hart und Cohle vorgefallen? Wie endete ihr Fall 1995? Warum ist das 2012 noch von Relevanz? Und vor allem: Was ist in der Zwischenzeit mit Cohle geschehen? Die Serie bleibt hier ihrem Anspruch treu und verstrickt sich nicht in Oberflächlichkeiten. Sie will den Zuschauer zum Nach- und Mitdenken bringen und verleiht ihren Figuren durch den Vorher-Nachher-Blick eine gewisse Tragik. Außerdem versteht sie es zu jedem Zeitpunkt, welche Details sie preisgeben darf, um Spannung zu erzeugen und anschließend zu erhalten.
Auf den Schultern von Giganten
„True Detective“ macht deutlich, wie intelligentes Fernsehen 2015 auszusehen hat und wie Krimis heutzutage gestaltet werden sollten. Da die Serie dem Konzept der Anthologie-Serien folgt, die spätestens mit „American Horror Story“ beliebt geworden sind, bleibt abzuwarten, was die nächsten Staffeln uns bieten können. Die Geschichte von Cohle und Hart ist nach acht Folgen zu Ende und hat die Erwartungen an die zweite Staffel nicht gerade geschmälert. Ab dem 21. Juni 2015 können Collin Farrell, Vince Vaughn, Taylor Kitsch und Rachel McAdams beweisen, ob sie ihrem schwierigen Erbe gerecht werden. Der Teaser-Trailer zeigt zumindest, dass die Serie ihrem Stil treu bleibt. Alles andere wäre aber auch überraschend gewesen. Und enttäuschend.
*= affiliateLink / Beitragsbild: (c) HBO
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