„Unter deutschen Betten“ Kritik: humorfreie Läuterungsgeschichte einer gefallenen Diva

Eugen Zentner 24. September 2017 1
„Unter deutschen Betten“ Kritik: humorfreie Läuterungsgeschichte einer gefallenen Diva

Zuletzt war Veronica Ferres überwiegend in ernsten Filmen zu sehen. Mit «Unter deutschen Betten» kehrt die Schauspielerin in das komödiantische Fach zurück. Doch das Comeback misslingt ihr genauso gründlich wie der Protagonistin zu Beginn der Story.

Es gehört zu den spannendsten Fragen der heutigen Zeit, woher das Faible der deutschen Filmindustrie rührt, polnische Haushaltshilfen mit künstlichem Akzent als Figuren zu wählen. Erst Anfang des Jahres leitete RTL mit «Magda macht das schon!» seine Sitcom-Offensive ein, wobei dieser Slogan an Euphemismus kaum zu überbieten ist. Obwohl die Comedy-Serie in der Quotenstatistik durchaus Erfolge verzeichnet, gibt es wahrlich nicht wenige, die die Meinung vertreten, dass die vermeintliche Sitcom so ziemlich alles ist – nur nicht lustig. Leider genauso lahm kommt nun die Komödie «Unter deutschen Betten» daher. Darin mimt Magdalena Boczarska die polnische Putzfrau Justyna, die wie Magda ein großes Herz und sehr viel Temperament hat. Für die Hauptrolle hat es dennoch nicht gereicht – diese kommt Veronica Ferres zu.

Als in die Jahre gekommenes Pop-Sternchen Linda Lehmann befindet sie sich an einem Zeitpunkt ihrer Karriere, als die ruhmreichen Tage schon längst vergangen zu sein scheinen. Geblieben sind ihre Star-Allüren und der Wunsch, noch einmal einen Hit zu landen. Ihr arrogantes Gehabe macht sie so unsympathisch, dass schon der niederträchtige Friedrich (Heiner Lauterbach) einspringen muss, damit die Zuschauer mit der Diva wenigstens ein bisschen mitleiden. Als ihr Langzeit-Freund und Musikproduzent serviert er sie einskalt für eine jüngere Sängerin ab und leitet dadurch den zweiten Akt ein, in dem Linda nur noch ein Ziel verfolgt: ihren Liebsten zurückzugewinnen. Das soll dem One-Hit-Wonder mit einem berauschenden Song gelingen, den sie ausgerechnet in dem Haus Friedrichs aufnehmen will, während dieser im Urlaub verweilt und sich mit seiner neuen Gespielin vergnügt. Allein das mutet äußerst konstruiert an, wirkt aber im Vergleich zu dem, was die Geschichte im weiteren Verlauf an Verwicklungen zu bieten hat, wie feinstes Storytelling à la Martin Scorsese. Weil Linda nicht mehr im Besitz des Hausschlüssels ist, entscheidet sie sich kurzerhand einzubrechen – durch eine Hundeklappe, versteht sich. Bedauerlicherweise bleibt das ehemalige Pop-Sternchen dort stecken, da ihr hinterer Körperteil nicht durch die kleine Öffnung passt. Man ahnt es schon: Während sich die bemitleidenswerte Einbrecherin vorne abmüht, nimmt hinten ein Vierbeiner die Einladung zu einer Sexstellung an, die nach ihm benannt ist. Spätestens jetzt kämpft selbst der hartgesottenste Kinoliebhaber damit, der Fremdscham nicht zu viel Macht einzuräumen. Doch die haarsträubende Geschichte ist noch lange nicht vorbei – sie fängt leider erst an.

Am Morgen mehrere Stunden später erscheint im Haus Lindas ehemalige Putzfrau Justyna und findet die tief gefallene Diva in der gleichen unvorteilhaften Position. Nach ersten Hilfeversuchen merkt die Polin, dass sie und der C-Promi keine Freundinnen werden. Linda kennt noch immer nicht ihren Namen und behandelt Justyna wie einen Menschen zweiter Klasse. Allerdings versteht es die Putzfrau, verbal zurückzuschlagen. Mit ihrem frechen Mundwerk macht sie Linda unmissverständlich klar, dass sie Justyna braucht, um in Friedrichs Haus ihren neuen Hit aufzunehmen. Es kommt, wie es kommen muss: Trotz gegenseitiger Abneigung und Dauerzank kooperieren die beiden Frauen, weil die Polin – welch ein Zufall! – ihre rechte Hand verletzt und deswegen ihrer Arbeit nur eingeschränkt nachgehen kann. Linda wittert ihre Chance und bietet der Putzfrau an, sie bei den Reinigungsaufträgen zu unterstützen. Der Kulturclash beginnt und gewinnt an Intensität, nachdem das verwöhnte Ex-Starlet in Justynas bunte WG gezogen ist. Zeitweise gleicht die konfliktreiche Beziehung der beiden Frauen einem Wettbewerb, bei dem sie zu demonstrieren versuchen, wer von ihnen die größere Zicke ist. Weil es sich aber um eine Läuterungsgeschichte handelt, kommen sie gegen Ende des Films schließlich doch zur Vernunft. Vor allem Linda mausert sich zu einer integren Persönlichkeit und überrascht mit einem Comeback, das für Friedrich ziemlich schmerzhaft endet.

«Unter deutschen Betten» basiert auf dem gleichnamigen Buch des deutschen Autors Holger Schlageter, der das Werk 2011 unter dem Pseudonym Justyna Polanska veröffentlichte. Darin gibt der Schriftsteller einen unzensierten Blick hinter die saubere Fassade der Deutschen, indem er die Erfahrungen realer Reinigungskräfte verarbeitet. Hier geht es um Doppelmoral, Sexismus, Ausländerfeindlichkeit, Spießbürgertum und Zahlungsmoral, um Themen, mit denen das Sachbuch zum Bestseller avancierte. Der Film hingegen zeigt nur wenig Interesse für soziale Missstände dieser Art. Anstatt einen adäquaten Subplot zu entwickeln, reihen die Macher lieber einen müden Gag an den anderen. Bei aller nicht zu übersehenden Mühe gelingt es ihnen aber an keiner Stelle, selbst so etwas Profanes wie einen Schmunzler herauszukitzeln. Da hilft es auch nicht, dass Justyna gefühlt jede Redewendung falsch gebraucht, die die deutsche Sprache hergibt. „Du bist dumm wie Gras“, „Das ist kein Wunschgesang“ und „Ohne Fleiß kein Schweiß“ sind nur drei Beispiele aus dem Sammelsurium an Pointen, die diese Bezeichnung nicht verdient haben.

Neben dem Schenkelklopfer-Humor gibt es eine Reihe weiterer Gründe, warum «Unter deutschen Betten» sich als ein nichtiger, um nicht zu sagen grottenschlechter Film bewerten lässt. Der Ablauf der Geschichte ist so vorhersehbar, dass es nicht unbedingt eines dramaturgischen Vorwissens bedarf, um schon nach zehn Minuten zu wissen, was am zweiten Wendepunkt passiert. Hinzukommen die eindimensionalen Figuren. Vom schmierigen Musikproduzenten, der strohdummen Geliebten bis hin zum oberflächlichen Klatschreporter sind fast alle Typen vertreten, die sich auf eine einzige Eigenschaft reduzieren lassen. Mehr Nuancenreichtum hätte man sich auch im Spiel der Hauptdarstellerin gewünscht. Ihre Lena Lehmann beschränkt sich darauf, entweder einfältig zu gucken oder zu krakeelen. Wenn sie aufgeregt von einem Fettnäpfchen ins andere tritt, wirkt sie wie eine Karikatur, die selbst nach abgeschlossener Läuterung unsympathisch bleibt. Nein, in die Geschichte deutscher Komödien wird «Unter deutschen Betten» nicht eingehen. Dafür ist der Film zu bedeutungslos und albern. Das einzige Verdienst, das ihm zukommt, besteht darin, dass er eine weitere spannende Frage aufgeworfen hat: Warum um alles in der Welt ist es derart wichtig, Veronica Ferres so oft beim Wasserlassen zu zeigen?

Kinostart ist der 5. Oktober 2017

„Unter deutschen Betten“ Trailer:

„Unter deutschen Betten“ Kritik: humorfreie Läuterungsgeschichte einer gefallenen Diva

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