„Wer war Hitler“ Kritik: eine unkonventionell erzählte Kino-Dokumentation in 14 Kapiteln

Eugen Zentner 19. November 2017 0

Nach vierzig Jahren kommt wieder eine Dokumentation über Hitler ins Kino. Der Regisseur Herman Pölking hat dafür mehr als 120 Archive ausgewertet und eine gewaltige Menge an Filmmaterial gesichtet. Das Produkt dieser Arbeit ist außergewöhnlich – aufgrund seiner Länge und der Erzählweise.

Adolf Hitler ist der größte Verbrecher der Menschheitsgeschichte. Trotz dieser großen Bedeutung wurden ihm bloß zwei Kino-Dokumentarfilme gewidmet – und der letzte stammt aus dem Jahr 1977. Zu Recht. Denn es ist alles gesagt. Es gibt mittlerweile nichts, was man nicht weiß über Hitler. Kein Lebensweg gilt als so gut recherchiert wie seiner. Und dennoch wagt Herman Pölking den Versuch, die Vita des Diktators noch einmal auf die Leinwand zu bringen.

Um sich von seinen Vorgängern abzusetzen, wendet der Regisseur ein unkonventionelles Verfahren an. Er verzichtet auf Interviews und nachgestellte Szenen. Er blendet keine Erklär-Grafiken ein und lässt weder allwissende Experten noch Zeitzeugen die damaligen Ereignisse kommentieren. Stattdessen lesen insgesamt 125 Sprecher passend zu den gezeigten Bildern Aussagen aus Tagebüchern, Briefen, Reden, Zeitungsartikeln und Autobiographien vor. Diese stammen entweder von Hitler selbst oder von seinen Zeitgenossen. Bei der Auswahl der Bilder beschränkte sich der Regisseur hingegen auf Originalfilme, Amateuraufnahmen und Fotografien. Dafür hat er zusammen mit seinen Mitarbeitern mehr als 120 Archive in 14 Ländern ausgewertet und 850 Stunden Film gesichtet, von denen ein Achtel restauriert sowie technisch bearbeitet werden musste.

Entstanden ist eine Kino-Dokumentation von außergewöhnlicher Länge. 460 Minuten dauert die Festivalfassung, die Pölking auf dem Filmfest München präsentierte. Der Regisseur geht streng chronologisch vor, wobei er Hitlers Vita in insgesamt siebzehn Kapitel gliedert. Sie tragen so schlichte Überschriften wie «Ein Gefreiter», «Ein Revolutionär», «Ein Wahlkämpfer» oder «Ein Mörder». Ins Kino kommt die Dokumentation in einer stark gekürzten Fassung, die lediglich drei Stunden dauert und in 14 Kapitel eingeteilt ist. Allerdings erscheint auch sie viel zu lang, zumal die Darstellungsweise sehr monoton ist. Was der Film als sein Alleinstellungsmerkmal zu verkaufen versucht, erweist sich in Wahrheit als Nachteil. Die pausenlose Abfolge von Zitaten wirkt nach einer gewissen Zeit ermüdend, sodass man sich dann doch den einen oder anderen Kommentar eines Experten oder Zeitzeugen wünscht, um aus der formalen Eintönigkeit herausgeholt zu werden.

Ein bisschen mehr Abwechslung hätte «Wer war Hitler» gut getan, zumal das gewaltige Bildmaterial eine solide Grundlage bildet. Besonders die Amateuraufnahmen vermitteln einen einprägsamen Eindruck von der damaligen Gesellschaft und der Lebensweise um 1900. Wie die Menschen sich um diese Zeit anzogen, wie sie dem Kaiser und später Hitler huldigten, wie sie miteinander Umgang pflegten, wie sie ihre Freizeit verbrachten und ihren politischen Willen demonstrierten, all das wirkt aus heutiger Sicht sehr exotisch und fern.

Und dennoch drängt sich das Gefühl auf, man hätte diese Bilder schon einmal gesehen. Zu viele Fernseh-Dokumentationen und Kulturfilme haben den Blick dafür abgestumpft. Nur Experten dürfte es auffallen, dass sich unter den Aufnahmen echte Perlen befinden. Sie sind es auch, die beurteilen können, ob Pölkings Film neue Erkenntnisse über Hitler liefert. Für die breite Masse bleibt die Dokumentation eine Wiederholung dessen, was schon zigmal gezeigt, geschrieben und gesagt wurde.

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