Von Philipp Kürth
Architekt, Statiker, Ingenieur, Baumeister und Herr selbst erdachter Welten zu sein – mehr Wünsche braucht ein Kind beim Spielen trotz aller Freiheiten der Vorstellungskraft nicht erfüllt zu bekommen. LEGO eröffnet mit bunten Plastiksteinchen zum Zusammenstecken seiner (in den meisten Fällen) jungen Fangemeinschaft seit 1958 die Unendlichkeit konstruierbarer Fantasiewelten. Stein um Stein lassen sich Baupläne detailgenau zu kleinen mechanischen Kunstwerken umsetzen. Und zu erwachsen wird selten einer, um nicht von der Endlosigkeit der Möglichkeiten begeistert zu sein, die eigene Miniaturwelt der Wunschvorstellungen zu gestalten.
Mit „The LEGO Ninjago Movie“ erscheint am 21. September der dritte Streich des dänischen Spielzeugproduzenten, mit dem er den Kinofilm als Unterhaltungsform und Kommunikationskanal für seine Produkte in Anspruch nimmt. Ich bin Phil, Weblog-Verfasser von objectperspective.com, wo ich in Perspektive rücke, was wir aus dem Kinogeschehen in Bezug auf Filmkunst oder für den eigenen Gang durchs Leben lernen können. Meine Retrospektive auf die bisherigen Leinwandabenteuer der Plastik-Minifiguren soll zeigen, ob sich der Gang ins Kino lohnt.
The LEGO Movie (2014)
Knapp 20 Jahre nachdem mit Toy Story die Ära der computererstellten Kinofilme begann, adaptiert der weltweit größte Spielzeughersteller das Erfolgskonzept dieser Unterhaltungsform und haucht seinen Plastikfiguren für die Kinoleinwand Leben ein. Und das nicht ohne wirtschaftliche Ausbeute: um eine halbe Milliarde Euro war der Umsatz der LEGO Group 2014, dem Jahr der Veröffentlichung von „The LEGO Movie“, im Gegensatz zum Vorjahr höher. Der Anstieg setzte sich 2015 um einen erneut knapp eine Milliarde Euro stärkeren Umsatz fort. Abgesehen von Marketingmaßnahmen und dem passenden Timing, mit welchem zum Kinostartzeitpunkt dem Film entsprechende Lizenzprodukte erschienen, musste das Werk von Phil Lord und Chris Miller auf inhaltlicher und inszenatorischer Ebene etwas leisten, was den Werbeaktionen und zeitlich adäquaten Spielzeugveröffentlichungen zum Verkaufserfolg verhalf. „The LEGO Movie“ musste die Herausforderung meistern, über seine Spielzeug-Charaktere eine Zuschauerbindung zu seinem jungen Publikum aufzubauen, die eine ehrliche Identifikation der Heranwachsenden mit den Hauptakteuren des Animationsfilms zulässt. Das psychologische Gelingen des Lebendig-Machens der Spielfiguren resultiert in der Bindung der Zielgruppe an die Spielzeugprodukte. Vorausgesetzt wird dafür die Qualität, filmisch eine liebenswerte Geschichte zu erzählen.
Die schätzenswerte Leichtigkeit in der Erzählung kommt dadurch zustande, dass sich der Film selbst nicht zu ernst nimmt. Die Story um den Helden des Geschehens Emmet beschreibt den Werdegang des über alle Maßen durchschnittlichen und gewöhnlichen Bauarbeiters mit der Bestimmung, der „Besondere“ zu sein. Als dieser soll Emmet mit Hilfe seiner Weggefährtin Wyldstyle, dem Mentor und Zauberer Vitruvius und vieler weiterer Meisterbauer aus allen Winkeln der Kinohelden-Landschaft das von ihm gefundene „Stück des Widerstands“ nutzen, um die bösartigen Pläne von Lord Business zu bremsen und ihn daran zu hindern, das Universum mit Hilfe des „Kragles“ (Instant-Kleber mit der Bezeichnung „Krazy Glue“) in Eintönigkeit erstarren zu lassen. Dabei parodiert die Handlung mit Selbstironie gespickt bekannte Filmgenres und ihre Konstellationen in Bezug auf Heldenepen, anstatt zu versuchen, eines dieser Genre für sich in Anspruch zu nehmen.
Liebesfilm-spezifische Inszenierungen und Dialoge werden auf überspitzte Art in die Handlung integriert, wenn Emmet während der Erläuterungen seiner Mitstreiterin Wyldstyle anstatt ihrer Worte nur die eigenen Gedanken zu ihrer überwältigenden Erscheinung aus ihrer Stimme heraushört. Ebenso auf die Spitze getrieben werden die für Fantasyfilme typischen Schlagabtausche in der Schüler-Meister-Struktur, die zwischen dem tollpatschigen Emmet und dem weisen Vitruvius auftreten und auch die ein wenig eifersüchtige Wyldstyle einschließen, welche selbst gern die „Besondere“ wäre. Ebenso aufgegriffen und übertrieben verbildlicht werden typische Inszenierungshandgriffe des Westerngenres; des Katastrophenfilms, als ein Schauplatz des Films – das „Wolkenkuckucksheim“ – vollends ausradiert wird; oder des Heist-Movies, als die Heldengruppe um den Protagonisten den finalen Einbruch in den Business Tower und Sitz von Antagonist Lord-Business vorbereitet. Witz und Charm der zusammengewürfelten Settings und Genre-Strukturen werden überdies auf der Dialogebene aufgegriffen, in der die Figuren sich bezüglich ihrer eigenen Aussagen zudem auf ironische Weise selbst kommentieren.
Analog zu den einbezogenen Filmgattungen ist die musikalische Untermalung, die mittels der mood technique in jeder Szene stimmungsgerecht eingesetzt wird, von der Genrevielfalt geprägt. Ebenso sind die Szenenbilder der unterschiedlichen Settings verschiedenartig: Die Steinstadt repräsentiert das strukturierte Alltagsleben und der Business Tower die düster-adrette Monotonie eines Systems bis ins Detail geregelter maschineller Abläufe. Währenddessen scheint das Wolkenkuckucksheim, das nur über einen Regenbogen zu erreichen ist und weder Unglück und Trauer noch sonstige negative Gefühle kennt, der Fantasie eines Vorschulmädchens oder eines Hippies auf Magic Mushrooms entsprungen zu sein. LEGO verbildlicht somit in den Frames seines eigenen Kinostreifens das Konzept, wofür es steht – bunte Vielfalt.
Die ausdrucksstarken Kameraperspektiven spiegeln in ihrer Übertriebenheit nicht nur die Parodiehaftigkeit des Films und die unendliche Variabilität der LEGO-Steine wieder. Sie bringen den Zuschauer zumal näher an die Spielzeugfiguren heran, als er es im Alltag gewohnt ist. Diese Tatsache macht die LEGO-Fangemeinschaft für die Kernaussage der Handlung und ihre Stärke empfänglich: „The LEGO Movie“ zeigt, dass jeder Durchschnittliche das Zeug zu einem Helden hat. Der Protagonist Emmet findet durch Zufall das Stück des Widerstands, was ihn laut Prophezeiung zu dem „Besonderen“ macht. Seine Qualifikation für diesen Titel muss er mit der Kreativität eines Meisterbauers unter Beweis stellen, der er bis dahin nicht gewesen ist. Er baute als Bauarbeiter in der Steinstadt stets nach Anleitung. Emmet lernt vom weisen Zauberer Vitruvius die Lektion, die das Spiel mit den bunten Steinen zum Zusammenstecken so reizvoll macht: „Die Anleitung muss in deiner Fantasie entstehen mein edler Knabe.“
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